Dienstag, 31. Oktober 2017

Großstadtverkehr (Mérida)

Der 15minütige Fußweg am Morgen vom Hotel zu der in unserem fast allwissenden Reiseführer beschriebenen Autovermietung, wo ich versuchen will, ein Auto für den nächsten Tag zu bekommen, um den Besuch von Uxmal, einer weiteren, etwas abseits vom Wege gelegenen Mayastätte zu besuchen, wird zu einer Offenbarung mexikanischen Stadtlebens.
Dazu trägt vor allem die für uns ungewöhnliche städtische Geographie Meridas bei, der Hauptstadt Yucatans mit immerhin 1,6 Millionen Einwohnern. Da die Bebauung kaum über zwei Stockwerke hinausgeht, ist die Fläche, die die Stadt einnimmt, gewaltig. Ein Teil des Platzes wird durch enge Straßen, die gerade zwei Autos nebeneinander Platz bieten, wieder eingespart.

Die Fußwege, die ich entlanglaufe sind weniger breit als meine ausgebreiteten Arme, die Häuserfronten dicht geschlossen und das menschliche Gewühl in alle Richtungen unvorstellbar. Das Ausweichen auf die Straßen ist nur für reaktionsschnelle Unerschrockene empfehlenswert, so bleibt nur, mitzuschieben, jede sich bietende Lücke zu nutzen und alle Sinne auf das Vorwärtskommen zu richten. Mein Größe verschafft mir dabei Vorteile, die ich gern nutze, denn einerseits überrage ich die durchschnittlichen Mexikaner um Kopfesgröße, die Frauen eher um das Doppelte, und andererseits ist eine Hemmschwelle der Einheimischen zu spüren, mich als erkennbar Fremden genauso in das Drängeln mit einzubeziehen.

Neben den vielen Geschäften und Bars, die sich hier in der Innenstadt in fast jedem Haus befinden, nutzen auch noch Straßenverkäufer mit Gebratenem, Gebackenem und allen anderen vorstellbaren Angeboten den mageren Platz, um ihre Waren anzupreisen. Auch viele Läden buhlen um Aufmerksamkeit, indem sie große Lautsprecher in den Eingang stellen und die Straße beschallen. Dazu macht der Lärm der Stadtbusse, die schon viele Jahrzehnte ihren Dienst tun und ungeheuer zahlreich durch die Straßen knattern, eine normale Unterhaltung fast unmöglich, so dass die Menschen darauf angewiesen sind, sich in großer Lautstärke zu unterhalten. Die entstehende Geräuschkulisse macht sich enorm pulssteigernd bemerkbar.

Das System der motororisierten Fortbewegung ist dagegen streng geregelt. Alle Straßen sind Einbahnstraßen, die zweispurig befahren werden dürfen, wenn nicht gerade haltende Lieferwagen oder Busse an einer Seite stehen, was häufig der Fall ist. Da die Straßenzüge exakt geometrisch im Schachbrettmuster angelegt sind, fällt die Übersicht leicht. Hinzu kommt der Umstand, dass auf Straßennamen zugunsten einer klaren Numerierung verzichtet wurde. Alle Nord- Süd verlaufenden Straßen haben gerade, alle Ost- West führenden haben ungerade Nummern. Immer abwechselnd sind die Straßen, die im Innenstadtbereich gepflastert und nicht asphaltiert sind, entweder in die eine oder in die andere Richtung befahrbar. Mit etwas Übung weiß man also, an welcher Stelle der Stadt man sich befindet, in welche Richtung man fahren und wohin man abbiegen darf.




Erschwert wird dies klare System durch fehlende Vorfahrtsregeln, was mir bei den ersten Versuchen nach geglücktem Fahrzeugerwerb schnell deutlich wird. Keine Straße hat Vorfahrt, an jeder Ecke, und davon gibt es viele, da die Straßenblöcke nur etwa 150 Meter lang sind, gilt es sich erneut zu verständigen. Als Neuling übe ich mich in Zurückhaltung und halte meinen Durchsetzungswillen im Zaum, da ich im Auto auch auf meinen Größenvorteil verzichten muss.

Einmal eingefahren, fängt die Herausforderung 'Autofahren in Merida' an, mir Spaß zu machen und ich finde es fast schade, jetzt den Stadtverkehr mit der Landstraße einzutauschen. Die großen Highways, auf denen wir dann unterwegs sind, sind in gutem Zustand, obwohl nicht mit unseren Autobahnen zu vergleichen. Oft ziehen sie sich, in der weiten Ferne zu einer schmalen silbrigen Linie verengt, schnurgerade durch den Urwald. Die kleine Landstraße, auf die wir abbiegen, hält dann aber durch unerwartete monumentale Schlaglöcher neue Proben bereithält.

Wir besuchen eine ehemalige Hazienda, deren kolonialer Charme noch zu spüren ist (darüber später mehr) und Uxmal, eine ebenso imposante Stätte der Maya wie Chichen Itza, deren Blütezeit im 10. Jahrhundert n.Chr. war, und die schon lange vor dem Eintreffen der ersten Spanier verlassen wurde. Viele der Gebäude und Pyramiden dürfen bestiegen werden, die großflächigen Reliefs sind teilweise sehr gut erhalten.




Von dort geht es nach Campeche, wo wir nun am Golf von Mexiko sind und das Meer uns deutlich rauher und aufgewühlter empfängt als die Karibik. Doch Baden ist hier kein Thema, da die Stadt zwar über eine Uferpromenade (die wie in Havanna Malecón - Uferstraße - heißt), aber über keinen Badestrand verfügt. Nach einem ersten Abendspaziergang durch die von hohen Mauern umgebene Altstadt freuen wir uns auf die bequemen Betten im Hostel.

(von Ronald)

Samstag, 28. Oktober 2017

Chichen Itza und Mérida

Wir gehen morgens zu Fuß vom Hostel nach Chichen Itza, eine der berühmtesten Maya-Tempelanlagen, und haben auch heute wieder den Wow-Effekt.

Der große Tempel ist derjenige, der in der Anzahl der Stufen den 365-tägigen Maya-Kalender architektonisch mit eingebaut hat, und es ist auch der Tempel, wo man zur Frühjahrs- und Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche durch Schattenwürfe der Treppenstufen per Lichteinfall den Eindruck bekommt, als ob der Schlangengott stufenweise zur Erde hinuntergleitet, ein Ereignis, das jährlich Tausende Besucher anzieht. Wir haben uns das nur auf youtube angeschaut, aber der Tempel und die weitläufige Anlage mit -zig Gebäuden (z.B. der riesig hohen Anlage für das Maya-Pelote, ein Ballspiel, bei dem der Vermutung nach die Verlierermannschaft getötet und geopfert wurde - schluck - und gleich daneben das Podium für die aufgepflockten abgeschlagenen Köpfe, wie auf den Relieftafeln deutlich zu sehen ist...) beeindrucken uns sehr.






Die bisherigen Mayastätten verkündeten das Image eines friedlichen Handelsvolkes, aber hier war das Zentrum der Macht, auch der militärisch-martialischen. Das hält die Leguane aber nicht davon ab, sich überall in Ruhe zu sonnen, und die Vögel mit ihren lauten, exotischen Rufen und ebenso der große Raubvogel, der über uns kreist, lassen sich weder durch frühere Mayamacht noch durch heutige Touristen stören
(falls jemand am Flugbild den Raubvogel erkennt, freuen wir uns über eine Mitteilung).




Auf dem Weg zum Bus kreuzen wir noch eine Blattschneiderameisen-Straße; auch so etwas, was man bei uns im Tropenhaus im Zoo bewundern kann.

Eine recht anstrengende, schaukelige Busfahrt führt uns weiter nach Mérida, wo wir ein Hostel im Kolonialstil mit vielen Frida-Kahlo- und Diego-Rivera-Drucken haben, es ist eher ein Hotel als ein Hostel, das aber Sonderangebote online hatte, von denen wir profitieren dürfen, was wir natürlich super gerne tun. Und da wir schnelles Internet haben, lade ich jetzt, bevor ich in den Pool springe, heute mal ein paar mehr Bilder für unsere lieben Leser :-) hoch.














(von Jessica)

Donnerstag, 26. Oktober 2017

Cobá und Multun-Ha

Unser Weg führt uns heute von der Ostküste Yucatans, der sogenannten Riviera Maya an der karibischen See, ins Innere der riesigen Halbinsel nach Cobá, wo wir die über Kilometer im Urwald versteckte Maya-Ruinenstadt wiederum per Rad erkunden.



Der große Stufentempel hat 40 Meter Höhe, von der aus man über das bis zum Horizont reichende Grün des Dschungels schaut. Mal wieder: Wow!






Und das nächste Wow folgt einige Stunden später, nämlich der Besuch einer Cenote, die kein "Ojo", also kein "Auge" bzw. Tageslicht nach oben hat. Multun-Ha liegt an einer Sandpiste im Dschungel, und als wir kommen, sind wir dort ganz allein, steigen 20 Meter in die Tiefe hinab und landen in einem unterirdischen Felsendom von etwa 40 Metern Durchmesser, 15 Metern Höhe und 6 Metern Tiefe, mit Stalagmiten. Wie es in einer Tropfsteinhöhle sein soll, tropft es unaufhörlich ins kristallklare Wasser, das durch einen großen Strahler an der Decke gut ausgeleuchtet ist.



An den Höhlenrändern geht es pechrabenschwarz aus der Kristallklarheit in die Verweigungen der unterirdischen Höhlengänge hinab. Es ist so still hier, fast unheimlich, auf jeden Fall respekteinflößend. So ganz allein und in Ruhe spürt man die starke Aura dieses Ortes und versteht, warum den früheren Völkern solche Orte Heiligtümer und Zugänge zur Welt der Götter waren. Beim Ins-Wasser-Gehen und Schwimmen, immer wieder durch die Schwimmbrille in die helle und dunkle Tiefe hinabschauend, spüre ich mich an den "Großen Strom der Maya" angeschlossen. Irgendwie gehört doch alles zusammen auf der Welt.


Später geht es weiter mit dem Oriente-Bus (ein Second-Class-Bus) über Valladolid nach Pisté, wo wir eine absolut nette Pension für die Nacht erst gestern gebucht haben. Von hier wollen wir morgen früh vor dem Tagesbesucher-Run nach Chichén Itzá, einer weiteren großen Maya-Stätte. Internet machts möglich, und (Werbeblock :-) mit booking.com klappt die Übernachtungssuche bisher perfekt ohne jegliches Papier oder Telefon, alles online. Auch das Busfahren funktioniert gut. Wir freuen uns, dass Mexiko uns mit soviel Selbstverständlichkeit aufnimmt, und - ich habe es schonmal geschrieben - die Maya sind sehr, sehr freundliche Menschen, darüber aber später mal mehr.

(von Jessica)

Tulum - Unterwegs zwischen Urwald und Strand

Auch in Tulum leihen wir uns wieder Räder, da sowohl der leicht kühlende Wind wie auch das Fortkommen im flachen Yucatan-Mayaland auf diese Weise sehr angenehm sind. Allerdings sind die sehr stabilen, aber äußerst schwerfälligen eher kleinen Räder mit niedrigen Sätteln mehr für kurze Mayabeine als für nordeuropäische Riesen gemacht.
Die Straßen durch den Urwald führen vor allem geradeaus! Beim Straßenbau muß auf keine Höhenzüge, Wasserläufe oder Besitzungen Rücksicht genommen werden, so laufen die Straßen wie mit dem Lineal gezogen. Wir fahren ein wenig über Land und staunen wieder über den Dschungel, der bis dicht an die Straße heranreicht.

Unser erstes Ziel ist eine der vielen Cenotes, über die wir zwar gelesen und auf Bildern gesehen haben, beim Erlebnis vor Ort aber wieder einmal merken, dass die sinnliche Wahrnehmung durch nichts zu ersetzen ist.
Wir springen in das kühle, weiche Süßwasser der nach oben halboffenen Höhle, sehen die Luftwurzeln der Urwaldbäume bis ins Wasser hinabragen, spüren die leichte Strömung, die das Wasser durch das weitverzweigte unterirdische Höhlensystem bis in die Lagunen und letztendlich bis ins karibische Meer führt, sehen Fische und Schildkröten um uns herum.
Diese natürlichen Zisternen bildeten das Trinkwasserreservoir der Maya und ermöglichten damit erst deren Kultur. Der "große Strom" der Maya ist ein unterirdischer Süßwasserstrom, Hunderte Kilometer lang und noch immer nicht ganz erforscht.




Das Schwimmen kühlt schön ab, es ist nämlich wieder feuchtheiß und wir sind praktisch immer nass. Gott sei Dank war es in den ersten Tagen meist bedeckt, und wir erinnern uns an unsere Zeiten in Afrika, wo wir immer froh waren, uns nicht der Sonne aussetzen zu müssen.

Wir radeln nach Tulum zurück und besuchen die berühmte archäologische Stätte, auch so ein magischer Ort, der nicht durch seine Größe und bauliche Vielfalt, sondern durch die Gesamtatmosphäre und seine Lage am Meer anrührt. Der Tempel am höchsten Punkt des Kliffs schaut auch ohne ein Leuchtfeuer weit auf das Meer hinaus.



Ein großer Leguan, einige Coatis (Nasenbären) und der dichte Dschungel tun ihr Übriges zur Atmosphäre. Das nachher folgende Bad in der warmen Karibik beim rosa Abendlicht machen den Tag zu einem Wow-Tag.





Am nächsten Tag radeln wir erneut, erkunden Weiteres in der nahen Umgebung, beobachten ausführlich Pelikane, die ohne Scheu direkt am Strand fliegen, tauchen und fischen, genießen die karibische Stimmung und planen unsere nächsten Tage.



Gern hätten wir noch einen Ausflug ins Sian-Kaan-Biosphärenreservat gemacht, um vielleicht Delphine im offenen Wasser sehen zu können, aber die angebotenen Tagestour war uns zu teuer, und auf eigene Faust kamen wir zwar bis zur Lagune, wo aber wegen zu bewegtem Wasser kein Boot ablegte. Wer weiß, was sich noch für Gelegenheiten ergeben werden.

(von Ronald und Jessica)

Dienstag, 24. Oktober 2017

Schnorcheln am Riff

Morgens um 9.00 Uhr bekommen wir mangels weiterer Interessenten eine Exklusivtour mit Ilario, unserem Guide und dem Motorboot hinaus ans 600 m entfernte Riff, wo er das Boot mit wenigen geschickten Handgriffen an einer Boje vertäut.
Nach kurzer Einweisung springen wir mit Flossen, Tauchmaske mit Schnorchel und Schwimmweste ins warme karibische Wasser, um sogleich in eine neue bunte Welt einzutauchen. Dem Führer folgend, gewöhnen wir uns an das Atmen durch den Schnorchel und die Bewegung mit den Flossen. Nur wenige Meter unter uns sehen wir Korallenbänke in verschiedensten Formen und Farben und die sie bewohnenden kleinen und großen, in allen Farben leuchtenden Fische, die, einzeln oder in Gruppen schwimmend, sich durch unsere Anwesenheit gar nicht stören lassen.
Mit Armbewegungen weist Ilario auf Besonderheiten hin, die wir mit ungeübten Augen gar nicht entdeckt hätten: Barracudas, eine schüsselgroße, im Sand vergrabene Muschel, ein großer Rochen, der majestätisch davon gleitet, als wir über ihm sind, ein Pulpo in seiner Höhle.
Schnell fühlen wir uns als Teil dieses stillen Universums, in der wir schwerelos schwebend zu Gast sind und uns sehr wohl fühlen.
Auf der Bootsfahrt hin und zurück erklärt uns Ilario, welche Maßnahmen zum Schutz dieses noch sehr intakten, weltweit zweitgrößten Riffes getroffen worden sind: kein Wassersport, kein Fischfang, kein übermäßiger Tourismus, der durch große Hotelbauten begünstigt würde, keine Verunreinigungen, selbst auf Sonnencreme soll man im Wassser verzichten.
Nach diesem eindrucksvollem Erlebnis genehmigen wir uns ein spätes Frühstück und fahren dann mit dem Überlandbus auf der Küstenstraße weiter zu unserer nächsten Destination, nach Tulum.











(von Jessica und Ronald)

Sonntag, 22. Oktober 2017

Puerto Morelos, Mexiko.








Die ersten Stunden in der Neuen Welt nach einem langen, langen Reisetag.
Wir sind in Spanien um 3 Uhr morgens aufgestanden, waren nach 500 km Autofahrt und Einchecken am Langzeitparkplatz dann irgendwann glücklich in Madrid-Barajas am Flughafen.
Da wir ja kein Rückflugticket haben, hatte ich im Vorfeld ein Greyhound-Busticket gekauft, das wir nie brauchen werden, da wir von Mexiko aus nicht in die USA wollen, aber nur dies konnte ich online von Europa aus buchen, und unsere Fluggesellschaft verlangte ein Weiterreiseticket. Nach genauer Inspektion und Nachfrage akzeptieren sie es tatsächlich, wir können einchecken und sind auch fast pünktlich abgeflogen, mit Evelop Airlines, von der ich vorher nie gehört hatte, die von Madrid aus aber sehr günstig in die Karibik fliegen.

10 Stunden Flug, Ankunft Ortszeit 17.30 Uhr (in Europa ist es bereits 1.30 Uhr, sieben Stunden Zeitverfrühung beim Reisen nach Westen). Unsere Rucksäcke sind ebenfalls glücklich in Cancun gelandet. Wir holen uns mexikanische Peso am Geldautomaten, erfragen am Infoschalter Busfahrmöglichkeiten, spazieren aus dem Terminal nach draußen und atmen die erste karibische Luft ein. Der Wahnsinn: die feuchte Schwüle, wie wir sie sonst aus dem Tropenhaus im Zoo kennen, und die uns vor acht Jahren in Afrika auch als erstes überwältigt hat. Der Schock ist also nicht zu stark, aber man muss trotzdem erstmal klarkommen mit dem Klima, sich akklimatisieren, wie man so treffend sagt.
Der Bus ist rasch gefunden, fährt auch bald los, lässt uns am gewünschen Ort (Puerto Morelos, ca. eine halbe Stunde südlich von Cancun) raus, und mit einem Taxi werden wir dann bis zu unserer Unterkunft gefahren, wo unsere Online-Buchung tatsächlich auch gelistet ist. Wir sind sehr zufrieden damit, dass alles so gut funktioniert hat bis hierher.

Wir drehen noch eine Runde durch den kleinen Ort, stecken wenigstens schonmal die Füße in die unglaublich warme karibische See, essen eine Kleinigkeit auf der Plaza, schauen dem Treiben zu, Maya-Tänzern, Trommlern, einem Feuerakrobaten, Capoeira-Sportlern... und fallen gegen 22 Uhr Ortszeit (Europa 5 Uhr morgens, wir sind also seit 26 Stunden auf den Beinen) ins Bett. Air Condition, Ventilator, WC und Warmdusche funktionieren trotz der Einfachheit der Unterkunft, und die laute Musik der nahen Bar stört nicht mehr, wir sind zu müde.

In der Nacht starker tropischer Regen, die Regenzeit ist noch nicht zu Ende. Morgens dampft und tropft es überall. Wir machen eine Orientierungsrunde im Dorf und leihen uns ziemlich fertige Fahrräder beim einzigen Fahrradverleih. Mittags regnet es nochmal, aber dann ziehen wir los, an der Mangrovenlagune (es sollen viele Krokodile drin sein, wir sehen aber keine) vorbei zur Colonia Morelos, dem oberen Ortsteil am Highway 307. Das Oberdorf erkunden wir straßauf, straßab per Rad und sehen dann ein Hinweisschild zur... örtlichen Waldorfschule, in bekannter Roggenkamp-Druckschrift! Bald endet die Asphaltstraße, wir sind im Wald, was hier natürlich sofort Urwald ist: Vogelstimmen in exotischen Tönen, riesige Blätter, Bäume, Grün in allen Farben und Formen, es tropft überall, und kaum halten wir an, stürzen sich die Moskitos so auf uns, dass wir schleunigst das Weite suchen.
Die Schule finden wir zwar, es ist aber Sonntag und niemand dort. Schon skurril, stolpern als erstes hier in Mexiko über Waldorf, im Urwald!

Dann verbringen wir die restliche Tageszeit in verschiedenen Läden, im Dorf, schauen, staunen, suchen (z.B. Telefon-Simkarten, was sich als schwierig erweist) und verabreden für morgen eine Schnorcheltour ans Mezzoamerikanische Korallenriff, das 600 Meter offshore beginnt, direkt vor unserer Nase.

Kunterbunte Impressionen mit einem superguten ersten Eindruck, vor allem auch von der Freundlichkeit der Menschen. Spanisch kommunizieren zu können, hilft natürlich auch sehr viel.

(von Jessica)

Samstag, 21. Oktober 2017

Adios Espana!

Wir rüsten zur Reise nach Westen, die uns drei Monate lang durch Mexiko, Zentralamerika und Kuba führen wird. Am 21.10.17 fliegen wir zunächst von Madrid nach Cancun, Mexiko. Von dort geht es mit Rucksack und Bus weiter. Wir haben in letzter Zeit fleißig unsere Reiseführer gewälzt (die englischsprachigen Rough-Guides sind für Backpacker wirklich super), und neben der großen Reiseroute sind uns nun auch viele Orte und Events im Sinn, denen wir gern nachspüren wollen, wobei aber offen bleibt, was wir wirklich realisieren werden und wohin es uns im Einzelnen verschlägt. Darüber werden wir gern in nächster Zeit hier und da berichten.

Zugegebenermaßen steigen Aufregung und Riesefieber nun doch auch an. Individualreisen haben einfach eine Unwägbarkeits- und Abenteuerkomponente, aber so wollen wir es ja auch. Und neben der Freude auf viele Erlebnisse, Eindrücke und Inspirationen drücken wir uns selbst die Daumen, dass wir, was Kriminalität und Gesundheitsprobleme betrifft - wir sind ja in der Gegend von Montezuma, der sich hoffentlich nicht zuviel an uns rächt -, möglichst ungeschoren davonkommen.

Die sechs Wochen, die wir nach der Reise von Deutschland hierher nun in Spanien verbracht haben, waren rundherum schön und nebenher sowohl sprachlich wie auch temperaturmäßig eine gute Einstimmung auf die kommenden westlichen Destinationen, die allesamt spanischsprachig und suptropisch bis tropisch sind.

Und der Rest in Gottes Hand...  vaya con Dios!


(von Jessica)

Freitag, 20. Oktober 2017

Zuhause in Europa

Unsere Reise mit dem Sprinter hierher hat uns durch viele kleine Ortschaften in Frankreich und Spanien geführt. Vor jeder Mairie und jedem Ayuntamiento, also vor allen Rathäusern, hing neben der Orts- und der Landesflagge auch die Europaflagge, die goldenen Sterne auf blauem Grund.
In den letzten Wochen hat die Diskussion um Europa wieder an Fahrt aufgenommen, da die Katalanen nach Unabhängigkeit streben und ein Referendum durchgeführt haben. Obwohl wir hier in Spanien sind, ist im Leben um uns herum kaum etwas von der Spannung zu spüren, die in Katalonien herrscht, aber Barcelona ist auch 500 Kilometer entfernt.
Beschäftigt man sich mit dem Wunsch der Katalanen und der harrschen Haltung der spanischen Regierung, so ist zu bemerken, dass die Sachlage wieder einmal viel komplizierter ist als anfangs gedacht.
Während ich die Unabhängigkeitsbestrebungen beim ersten oberflächlichen Nachdenken als unvernünftig und antieuropäisch einschätzte, mir aber auch das harte Vorgehen der Regierung unverständlich war, musste ich feststellen, dass die Dinge auch ganz anders gesehen werden können.
Es ist hier oft zu hören, dass auf beiden Seiten sehr viel Druck gemacht und gepuscht wurde. Auch die Beteiligungen an den letzten Befragungen, vor zwei Wochen fand ja nicht die erste statt, zeigten, dass nur einTeil der Menschen in Katalonien an der Frage interessiert ist. Es mag vielen Spaniern wie unserem Steuerberater gehen, der sich darum sorgt, ob die Verantwortlichen es schaffen werden, sich friedlich zu einigen und die Mengen nicht noch weiter aufzupeitschen. Spanien hat im letzten Jahrhundert zwei Bürgerkriege erlebt, die noch im kollektiven Gedächtnis sind. Joaquim setzt große Hoffnungen auf Europa als schlichtende Instanz.
Die nach Unabhängigkeit strebenden Katalanen sind keine Volksgruppe oder religiöse Gemeinschaft, die sich selbst regieren will, sondern es ist eine kulturelle Bewegung, die ihre Wurzeln in der spanischen Geschichte hat. Viele Einwohner Kataloniens sind keine gebürtigen Katalanen, sondern sind erst durch ihren Zuzug dazu geworden. Es geht also nicht darum, einer Menschengrupe größere Freiheitsrechte einzuräumen, sondern eine Region möchte größere Auutonomie.
Dem stehen die Bewegungen eines Nationalstaates entgegen, die Einheitlichkeit eines Landes zu bewahren. Ohne dies beurteilen zu wollen oder zu können, kann man sich fragen, ob die Nationalstaaten, die zumeist politische Gebilde sind, die mit Macht, oft durch Kriege zusammengefügt wurden, noch zeitgemäß sind.
Für mich ist deutlich, dass wir eher mehr als weniger Europa brauchen. In vielen Bereichen sollten wir noch mehr zusammenarbeiten. Der begonnene Weg der europäischen Union und auch des Euro ist richtig und wichtig, wenn auch noch vieles verbessert werden kann. Die Eigenheiten der Regionen, die Sprachen und die kulturellen Unterschiede können dabei erhalten bleiben. Doch muss dann die gesetzgebende Gewalt und beispielsweise die Außen-, Verteidigungs- Finanz- und Wirtschaftspolitik in erster Linie von den Nationalstaaten ausgehen? Könnten nicht übergeordnete europäische Institutionen viel unabhängiger agieren?
Es ist sicher noch ein weiter Weg zu den Vereinigten Staaten von Europa und bei den vielen Problemen, die es zur Zeit gibt, scheint auch ein Scheitern möglich, doch es lohnt sich, dafür zu streiten, wie das die Katalanen tun, die für die Unabhängigkeit auf die Straße gehen, aber auch die, die für die Einheit protestieren; für die Politiker heißt das, mit Bedacht gute Kompromisse entwickeln, die mit Augenmaß das Projekt Europa voranbringen und nicht bremsen, denn die Menschen auf beiden Seiten verstehen sich als Teil von Europa.


(von Ronald)