Donnerstag, 28. Juni 2018

Wüsten- und andere Wellen

Bald zwei Wochen seit unserer Rückkehr nach Spanien.
Wie Ron im letzten Post schon schrieb, hieß es erstmal strammstehen für die unmittelbaren Notwendigkeiten der Umstände - die Folgen des Einbruchs, aber und vor allem der Wasserschaden. Mit Presslufthammer in der Einfahrt und Wasser aus dem Kanister in Küche und Bad ist unser Wiedereinstand in Bello Horizonte nicht sehr lustig. Aber, so ist es ja gottlob im Leben, auch das geht vorüber; der Blick öffnet sich erneut.

Und wir können uns erfreuen am mediterranen Sommer mit seinem Pinien- und Jasminduft, mit blühendem Oleander und Hibiskus, mit intensiver Sonne und lauen Nächten. Die Piscina um die Ecke hat 28 Grad; ich gehe täglich meine Bahnen schwimmen. Zwischendrin fahren wir mal runter nach Altea oder Albir, gehen schnorcheln im Meer oder bummeln an der Promenade.
In Haus und Garten steht noch einiges an, das wir aber wie immer gern tun. Die Habenseite des Lebens macht schließlich durchaus Spaß. Etwas kniffelig und aufwendig ist das neue Terrassendach, aber Ron nimmt auch dies mutig in Angriff.

Morgens im Halbschlaf weiß ich die ersten Tage meist gar nicht, wo ich bin - es waren so viele Stationen in den letzten Monaten. Vor allem aber bin ich jeden Morgen beim Aufwachen in den Wüsten unterwegs, die wir bereist haben. Wir haben die nördliche Sahara in Marokko erlebt, waren in Ägypten und Israel in unterschiedlichen Teilen der östlichen Sahara und im Negev, sind gewandert, auf Kamelen geritten, mit dem Fahrrad, mit dem Auto und mit dem Bus hindurch gefahren. Jeden Morgen erwache ich mit diesen Bildern, und wie das in Träumen so ist, man ist drin und gehört dazu. Täglich wieder ein zauberhaftes, schönes Gefühl.



Dann hören wir Salsa- und Sonmusik, tanzen ein wenig. Bilder unserer Wochen in Kuba, Plätze, an denen wir gesessen haben, Orte, an denen wir getanzt haben, Menschen, die man erlebt hat, entstehen erneut. Gute Laune flutet wellenartig auf und strömt intensiv.

Der Vollmond geht auf wie ein großer Lampion. Ich muss daran denken, dass nun schon seit zwei Wochen der muslimische Ramadan vorbei ist, den wir in Ägypten miterlebt haben und der uns starke, wenngleich nicht nur angenehme Eindrücke und Einblicke verschafft hat. Oft haben wir dort am Mondstand den Verlauf des Ramadans mitverfolgt.

Spätabends sind plötzlich die Tanzenden Derwische aus Istanbul im Geiste wieder präsent. Ich nutze die Gelegenheit und lese noch einiges zum Thema Mystik - der Sufismus ist eine mystisch-religiöse Strömung  - und mir wird wieder einmal deutlich, dass ich davon auch etwas in mir trage, und gar nicht so ganz knapp. Neben dem Hunger nach der Welt in ihrer Vielfalt und Schönheit sind manche Orte, die wir aufsuchen, auch dieser Spur gewidmet, manchmal vielleicht gar nicht so bewusst.

Und, und, und. Ein ganzes Meer von Eindrücken und Erlebnissen tragen wir in uns. Hier und da wird man wellenartig davon geflutet, und das löst immer wieder auch Glücksgefühle aus. Später werden diese blasser werden - zurzeit ist die Erinnerung an die Erlebnisse noch frisch und stark und dadurch auch mit dem Gefühl verbunden. Später werden mehr die inneren Bilder bleiben, Lebensspuren bilden, und, wie man so schön sagt: "Das kann dir niemand mehr nehmen." 
Wieder einmal dankbar für das Freijahr.






(von Jessica)

Sonntag, 24. Juni 2018

Sicher ist sicher!

Bei der Vorbereitung auf unsere Reisen hat der Sicherheitsaspekt eine nicht unerhebliche Rolle gespielt, nicht zuletzt, weil wir immer wieder Hinweise und Ratschläge gelesen und häufiger die Frage gestellt bekommen haben: Mexiko, Ägypten, Israel, ist das nicht viel zu gefährlich dort?
Um weltweit sicher an Bargeld zu kommen, haben wir neue Konten eröffnet und Kreditkarten beantragt, wir haben uns strahlungsgeschützte Bauchgurte zugelegt, die die Chips von Kreditkarten verheimlichen sollen, die wir aber nie getragen haben, weil man in den warmen Ländern so sehr darunter schwitzte. Wir haben von allen wichtigen Papieren und Passwörtern Fotos gemacht und sie in Clouds hinterlegt. Wir hatten eine kleine Kette und Vorhängeschloss dabei, mit deren Hilfe wir einen 'Privatsafe' fabrizieren konnten. Wir haben keine großen Mengen Bargeld mit uns herum getragen und auf das Zurschaustellen von Schmuck, Uhren oder sonstigen Luxusartikeln verzichtet. Dem Sprinter haben wir eine kräftige Lenkradkralle spendiert.
Unsere Erfahrungen unterwegs waren allerdings durchweg positiv. So sinnvoll die sorgfältige Planung war, so unnötig eine allzu große Sorge; wir haben uns zu keiner Zeit und an keinem Ort unsicher oder bedroht gefühlt. Im Gegenteil, so unterschiedlich die Lebensbedingungen waren, auf die wir gestoßen sind, so stark war doch häufig das Gefühl, unter Menschen zu sein, deren Wünsche, Ziele und Grundsätze sich von unseren gar nicht unterscheiden.
Sicher gibt es gefährliche Gegenden, die man als Reisender besser meiden sollte, doch dort waren wir auch nicht unterwegs.
Um die guten Fahrräder keiner Gefahr auszusetzen, sind nur die beiden einfacheren Räder hinten auf dem Wagen mit auf Reisen gegangen und natürlich ist ihnen nichts passiert, auch wenn sie in Marokko bewundernde Blicke auf sich gezogen haben und wir gefragt wurden, ob sie zu verkaufen sind.

Gestohlen wurden die guten Räder, die 'sicher' hinter Gittern und verschlossenen Türen im Haus in Spanien untergebracht waren. Bei einem Einbruch wurden die Schlösser geknackt, die Haustür zerlegt und neben den Rädern sämtliche Elektrowerkzeuge, Kettensäge und Laptop entwendet.

Ärgerlich ist das vor allem wegen der beiden Räder, dem blauen Rennrad, das ich besonders für Spaniens bergige Landschaft ausgestattet hatte und das fast neue grüne Mountainbike. Beide Räder waren gerade seit Herbst hier und die Versicherung trat genau vier Wochen nach dem Einbruch in Kraft.



Wer also eines dieser wunderschönen Räder demnächst auf dem Flohmarkt sieht, der kaufe es bitte - nicht ohne es genügend herunter zu handeln. 

Das dicke Ende der Geschichte scheint eher einer Slapsticknummer entnommen, ist aber traurige Realität: Beim Aufnehmen des Schadens reißt die Polizei einen gemauerten Pfosten um, an dem eine Kette befestigt ist, die die Einfahrt versperrt. Der fällt auf die Wasseranschlüsse unserer drei Reihenhäuser, zerschlägt den der Nachbarn, so dass eine schöne Fontäne entsteht. Die von der Polizei herbeigerufenen Wasserwerker reparieren den sichtbaren Schaden.
Ob damit zusammenhängend oder nicht; etwa zur gleichen Zeit entsteht ein Leck in unserer Anschlussleitung, so dass während unserer Abwesenheit viele hundert Kubikmeter Wasser im Erdreich versinken - immerhin, ohne zu großen Schaden anzurichten. Außer natürlich, dank der progressiven Preispolitik - je mehr verbraucht wird, desto teurer wird der Kubikmeter - eine horrende Wasserrechnung zu produzieren.

Inzwischen ist eine Woche vergangen, das Leck unter der Einfahrt ist gefunden, freigelegt und repariert, unsere Nerven haben sich beruhigt, so dass das Leben nun hoffentlich den eher ruhigen Gang gehen kann, den wir uns für den Abschluss dieses Jahres gewünscht haben.

(von Ronald)

Sonntag, 17. Juni 2018

Der zweite Kreis rundet sich

Mal wieder unterwegs mit Grimaldi-Lines, immer gut erkennbar am großen "G" auf dem Schornstein. 


Ringsherum nur Wasser, irgendwo zwischen Sardinien und Spanien.


Dann Land am Horizont..


...Spanien in Sicht! Links unten im Bild die Kapitänsbrücke.


Sonnenuntergang heute vor dem Hafen von Barcelona.


Wegen Schiffsverspätung, geschlossener Tankstellen und anderen Unliebsamkeiten steht uns eine anstrengende Nachtfahrt bevor. Müde erreichen wir um 4 Uhr morgens unser Häuschen in Altea...


...das uns dann im Tageslicht mit dem schönen Garten und super Wetter erfreut.
Vier Wochen werden wir hier nun noch verbringen. Neben "Urlaub vom Urlaub", also eher der Seinsseite des Freijahres, steht Diverses in Haus und Garten an, so dass die Habenseite auch wieder gepflegt werden möchte. Es soll aber möglichst nicht zuviel werden. Die intensiven Eindrücke unserer zweiten Reise, aber auch die damit verbundenen Anstrengungen brauchen schon noch etwas Nachklang.

Mitte Juli brechen wir dann Richtung Deutschland auf, wahrscheinlich noch mit mehreren Stationen. Mitte August geht dann mit einer Akklimatisierungszeit in Lensahn unser Freijahr endgültig zu Ende und das Berufsleben wieder los.

(von Jessica)

Freitag, 15. Juni 2018

Länderhopp von Istanbul über Griechenland nach Italien

Israel entlässt uns pünktlich und reibungslos, allerdings müssen wir bei der Ausreise viele Fragen beantworten nach Sinn und Zweck unserer vergangenen und kommenden Destinationen.

Zurück in Istanbul gibt es natürlich ein freudiges Wiedersehen mit unserem Sprinter, der viereinhalb Wochen lang auf dem Langzeitparkplatz brav auf uns gewartet hat.
Von der asiatischen Seite der Stadt geht's über die mittlere Bosporusbrücke zurück auf die europäische Türkeiseite...

...noch ein schöner Ausblick auf den Bosporus...


und nach dem ewigen Stau quer durch die Metropole brausen wir los Richtung Griechenland, um zum Abend in Europa zu sein.


In Alexandroupolis/ Thrakien, Nordostgriechenland finden wir mal wieder einen schönen Stellplatz direkt am Wasser inklusive Bad am Abend und am Morgen, das macht doch immer wieder Spaß.


Neben Schaf- und Ziegenherden ist auch Milchvieh unterwegs.


Unser nächstes Ziel sind die berühmten Meteora-Klöster in Nordgriechenland. Einst 24 Klöster, gegründet im Mittelalter von dem Mönch Athanosios, der vom Berg Athos fliehen musste (dort waren wir vor acht Wochen), spektakulär auf exponierten Felsnadeln gelegen. Heute sind noch sechs der griechisch-orthodoxen Klöster bewohnt, zwei von Nonnen, die anderen von Mönchen.






Dann heißt es auch von dort Abschied nehmen. 
Spätabends sind wir nach einem kurzen Sprung ins Meer und griechischem Essen am Restaurant Camping Elena, wo wir vor acht Wochen auch schon gespeist haben, in Igoumenitsa zum Einschiffen nach Brindisi/Italien, mit allerlei Truckfahrern und vielen albanischen, rumänischen und anderen Gesichtern aus dem Balkan.



Am nächsten Morgen erwartet uns in Brindisi Starkregen, der die Gullis in den Straßen zum Überfließen bringt. Sommer in Süditalien???


Aber abends in Civitavecchia vor den Toren Roms ist alles wieder gut.



Leider währt dieses Idyll nur eine Bierlänge, dann vertreibt uns ein unfreundlicher Privatparkplatzbesitzer von dem scheinbar von uns unrechtmäßig betretenen Gelände.


Aber egal, ein paar Kilometer weiter stehen wir unter Schirmpinien und duftenden Eukalytusbäumen auch schön und genießen zum schnell gekochten Abendessen eine herrliche Abendstimmung. 
Dann ist der kurze Italienhopp auch schon wieder vorbei. Die nächste Fähre bringt uns in 20 Stunden Fahrt über Sardinien nach Barcelona, von wo wir unsere letzten 500 Kilometer bis Altea zurücklegen werden.


Sonnenuntergang heute in Civitavecchia vor den Toren Roms.

(von Jessica)

Mittwoch, 13. Juni 2018

Hoch hinaus

Unsere letzte Etappe in Israel führt uns nach Tel Aviv, von wo wir zurück nach Istanbul fliegen. Auf dem Weg dorthin schrauben wir uns von Haifa aus in engen Serpentinen hinauf ins Karmelgebirge, durchqueren Drusendörfer, eine islamische Gemeinschaft, die an Reinkarnation glaubt und dem Judentum näher steht als anderen islamischen Strömungen, unter denen sie verfolgt wurden, um weit oben zum Karmeliterkloster des Elijah zu gelangen, in dem noch drei Mönche leben. Geweiht ist die Stätte dem Propheten Elijah, dessen Opfer im Glaubensstreit mit den Baalpriestern angenommen wurde, woraufhin die heidnischen Priester ihr Leben lassen mussten. Auch das Alte Testament ist nicht zimperlich!

Im Hintergrund sehen wir Elijah selbst das Schwert schwingen.

Auch Caesara, Herodes einstige Musterstadt an der Küste, liegt auf dem Weg. Die Anlage war auf Größe angelegt, Herodes wollte hoch hinaus und anderen antiken Hafenstädten wie Alexandria Konkurrenz machen. Er ließ einen künstlichen Hafen anlegen, es gab einen Palast, ein Theater, ein Stadion und alles, was sonst zu einer römischen Stadt gehörte. Mit der Namenswahl sicherte er sich das Wohlwollen und die Unterstützung von Kaiser Caesar Augustus.

Heute ist der Kalkstein vom Meer zerfressen, 

im Stadion scharren nur noch stählerne Rosse mit den Hufen,

die von Kreuzfahrern auf Ruinen errichtete Stadtmauer hält nur noch Besucher vom unrechtmäßigen Betreten ab,

während im renovierten Theater wieder Konzerte stattfinden.

Etwas außerhalb sehen wir auf einer Wiese einen einsamen Obelisken, der sicher auch den Weg von Ägypten hinter sich hat und mit seiner Aufrechten einen Wettstreit liefert mit Palme, Strommast, Mauerstück und Fabrikschornsteinen.

Dass Tel Aviv hoch hinaus will, wird schnell deutlich,wenn man sich der Stadt nähert. So sprechen die Israelis auch nur noch von der Central Region, weil es sich um viel mehr als eine Stadt handelt.
Unsere gebuchte Unterkunft liegt in Bat Yam, ein von russischen Einwanderern geprägter Stadtteil, in dem die Modernisierung noch nicht stattgefunden hat. Nach dem ersten Blick in das gebuchte Appartment entscheiden wir uns, etwas anderes zu suchen, auch wenn es schon Abend ist. Wir mögen uns nicht gruseln an unseren letzten beiden Tagen. 
Das Schlafen am Strand, das auch eine Option gewesen wäre, die Erinnerungen wachgerufen hätte, bleibt uns erspart, da wir zwar teuer, aber gut in Jaffa, Tel Avivs altem arabischen Stadtteil, unterkommen. 
Die Preise haben uns hier immer wieder entsetzt, alles ist deutlich teurer als in Deutschland und die Leute verdienen weniger. 
'Warum haben Israelis drei Jobs? - Weil sie keinen vierten finden können' lautet ein bekannter Witz, der die Situation überspitzt beschreibt.

Wir erleben in Jaffa einen Stadtteil im Wandel, dessen Stimmung an angesagte Bezirke in anderen Großstädten, wie in Kreuzberg in Berlin erinnert. 
Die ehemaligen Werkstätten und Läden im Erdgeschoss sind entweder geschlossen oder verwandeln sich in coole Cafés, trendige Modeläden oder Kunstgalerien.

Durch die Märkte schlendern jetzt Touristen, junge oder wohlhabendere Bewohner auf der Suche nach schicken Schnäppchen.

Viele Häuser sind renoviert, andere warten noch auf die Wiederbelebung.

Die Altstadt wirkt geputzt, so kann man sich sehen lassen.

Die kilometerlangen Strände verschaffen Tel Aviv ein schwer zu toppendes Flair: Mit einem internationalen Flughafen gut zu erreichen, ein Klima, das keine europäische Stadt bieten kann, eine Szene mit Nachtclubs und Bars, die keine Wünsche offen lässt. Letzteres haben wir nicht erprobt, wahrscheinlich würde auch passende Garderobe und Durchhaltevermögen fehlen, doch es wird schon stimmen, was man sich erzählt.

Und dann gibt es auch noch schöne Wellen, so dass das Surfen, sich zeigen und sich anschauen direkt vor der Haustür möglich ist.

Israel hat uns stark beeindruckt und nachdenklich gemacht. Das Land hat sich seit unserem letzten Besuch so sehr verändert. Es ist voll hier, Autobahnen durchziehen das kleine Land, in dem es damals nur gewundene Straßen gab, und überall wird gebaut. Wir hatten schöne menschlichen Begegnungen, doch auf der Straße scheint eher ein barscher, wenig herzlicher Ton zu herrschen, der vielleicht Ausdruck eines zu häufig notwendigen Selbstbehauptungswillens ist. Die im Land geborenen Israelis werden 'Sabra' genannt, Kaktusfrüchte - ein bezeichnender Name.

Wie beim Abschied von Menschen, die man kennen gelernt hat bei einer intensiven Begegnung, wissen wir nicht, ob wir das Land wiedersehen.
Doch wir wünschen den Menschen hier, dass sich das Leben in jeder Hinsicht entspannt.

(von Ronald)

Montag, 11. Juni 2018

Grenzerfahrungen

Je kleiner die Fläche einer Figur, desto größer ist im Verhältnis der Umfang - das gilt in der Mathematik, aber ebenso in der Geografie. Ein kleines Land wie Israel hat eine für die Größe des Landes überproportional lange Grenze. Und ringsherum nur Staaten, die keine Demokratien sind und dem Nachbarn nicht immer freundlich gesinnt, wobei dieser es ihnen auch nicht gerade leicht macht.

Schon bei unserem ersten Aufenthalt hier haben wir gelernt, dass die Bewertung der Situation im Nahen Osten furchtbar schwierig ist. Hier im Land stellt sich vieles anders dar, als es von Europa aus gesehen den Anschein hat. 
 Das Militär, der Militärdienst und die Grenzsicherung haben für Israel existentielle Bedeutung, sind im täglichen Leben überaus präsent und genießen im ganzen Land hohes Ansehen.
Die Vorwarnzeit für die Raketen aus dem Gazastreifen beträgt in grenznahen Städten gerade einmal 30 Sekunden. Auch wenn der Raketenabwehrschirm gut funktioniert, ist doch das Lebensgefühl stark beeinflusst und der Luftschutzbunker stets in erreichbarer Nähe. Das haben wir auch in den letzten Tagen in manchen Gesprächen wieder vermittelt bekommen.
Haifa, unsere nächste Station, ist recht weit von allen Grenzen entfernt. Es ist der wichtigste Mittelmeerhafen Israels, über den Waren aller Art ins Land kommen wie auch seit Generationen Einwanderer aus allen Teilen der Welt. Aus drei Millionen Einwohnern Mitte der achtziger Jahre sind heute acht Millionen geworden. Seit Ende der 80er Jahre kamen über eine Millionen russische Juden ins Land, so dass sich in allen Landesteilen eine russische Infrastruktur gebildet hat und wir an vielen Orten Russisch hören. Haifa ist schon lange ein Schmelztiegel, in dem die unterschiedlichsten Volksgruppen leben. So sieht man neben dem modernen Büroturm das einem Kirchturm ähnelnde Minarett einer Moschee.
Die Stadt wuchs von der Küste ins Karmelgebirge hinauf, wobei die besseren Wohnviertel weit oben zu finden sind. 
Mittendrin liegen die Bahaigärten mit dem dazugehörigen Tempel, in dem der Religionsgründer der Bahai begraben liegt, einer die Einheit der Menschen betonenden aus dem Iran stammenden Religion.

Direkt darunter die deutsche Kolonie, ein Straßenzug, der von deutschen Auswanderern im 19. Jahrhundert angelegt wurde, deren Nachkommen nach dem 2. Weltkrieg allerdings das Land verlassen mussten, da sie mit den Nazis paktiert haben.

Die Fahrt nach Norden führt uns zuerst nach Akko, wo schon Alexander der Große seine Spuren hinterließ. Eine mächtige Stadtmauer schützte die Stadt, die im Laufe der Geschichte vielfach die Besitzer wechselte. Die Kreuzfahrer machten sie zu ihrem Zentrum, von dem aus das Heilige Land erobert werden sollte. 



Die Stadtmauer ist fast vollständig erhalten. Die Juden haben nach der Staatsgründung die Altstadt innerhalb der Mauer den Arabern gelassen und eine moderne Siedlung in der Nähe gegründet.

In den Gassen scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Nur die Besucher geben einen Hinweis auf die Gegenwart.



Wo die Kirchen standen, erheben sich die Kuppeln der Moscheen.

Der weiß schimmernde Kreidefelsen Rosh Hanikra markiert die Grenze zum Libanon. Unzählige Armeen sind hier in den letzten 3000 Jahren von Nord nach Süd oder umgekehrt herübergezogen. 
In den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts trieben die Briten eine Eisenbahnlinie durch den Fels, um den Nachschub für ihr Mandatsgebiet in Palästina zu sichern. Juden kamen auf diesem Weg auf der Flucht vor dem Holocaust ins Land und sprengten die Linie Jahre später, um palästinensischen Befreiungsbewegungen den Nachschubweg abzuschneiden. 

Heute ist die Grenze unpassierbar und das entfernungsmäßig nahe Beirut scheint unendlich fern.

Erdbeben und die Wucht des Wassers haben Grotten in den Fels gegraben, die über eine steile Seilbahn zugänglich und zu besichtigen sind.



Nach Süden fällt der Blick auf den Banana Beach, den nördlichsten Strand Israels. Hier haben wir schon vor 35 Jahren gebadet, uns unrechtmäßig von Bananen aus der nahen Plantage ernährt und freuen uns, dass der Beach jetzt sogar den entsprechenden Namen trägt.

Auf der Rückfahrt überqueren wir noch eine friedliche ungesicherte Grenze. Achziv Land besteht seit über 60 Jahren. Sein Gründer, Eli Avivi, hat auf dem Gelände eines ehemaligen arabischen Dorfes eine freie Republik geschaffen, für die er dem jüdischen Staat anderthalb Hektar Land abtrotzte. Er regierte hier und schuf einen Ort, den Aussteiger und Lebenskünstler gern besuchten.

Wie es sich für einen richtigen Staat gehört, wurde der Pass bei der ganz und gar formlosen Einreise abgestempelt. Es ist der schönste Stempel in unserem alten Reisepass. Für die Übernachtung damals haben wir an Elis unendlicher Baustelle einen Nachmittag mitgearbeitet.



Das Hoheitsgebiet verfügt über einen eigenen Strandzugang, der zu einer wunderschönen kleinen Bucht führt.

Leider kommen wir zu spät, um dem Präsidenten der Republik unsere Aufwartung zu machen. Eli Avivi ist vor drei Wochen gestorben, erfahren wir von seiner Frau. Die Thronfolge ist ungeklärt.


Am Horizont geht die Sonne über dem Meer unter. Nicht einmal das patroullierende Grenzschutzschiff kann die friedliche Stimmung stören. 
Wann wird wohl Israel seine Grenzen nur noch mit einem Bretterzaun markieren müssen, wie Achziv Land?

(von Ronald)