Mittwoch, 28. März 2018

Orient pur - Marrakesch

Zum Ende unserer Woche in der Wüste nächtigen wir in der Palmenoase Skoura südlich des Hohen Atlas und machen mit Führer Abdullah dort am nächsten Morgen eine dreistündige Radtour, kreuz und quer durch Sandwege und Lehmsträsschen, wo wir mal wieder mitten im Leben der Menschen sind, zwischen Eseln, Kindern, Oasenbauern, Wasserläufen. Und wieder komme ich mir vor wie im Märchen oder wie in biblischer Zeit, so sehr scheint das Leben hier zu sein wie auch schon vor Hunderten, ja Tausenden von Jahren. - Mit Abdullah besichtigen wir dann noch eine Lehmkasbah (Lehmburg) in mehreren Etagen Höhe, wunderbar ästhetisch anzusehen und mit viel historischem Hintergrund, leider aber ohne Fotos, da wir mal wieder technische Schwierigkeiten haben :-(
Die sogenannte "Straße der tausend Kasbahs" verdient jedenfalls ihren Namen. Es sind unendlich viele, oft sehr schöne Lehmburgen in der Gegend.

Dann fahren wir über Ourzazate, wo wir ebenfalls einen Abstecher in der Kasbah machen, vorbei an den Filmstudios vor den Toren der Stadt, wo viele bekannte Regisseure viele bekannte Filmszenen mit Wüstenmotiven gedreht haben, Hitchcock, Scorsese etc. "Lawrence von Arabien", "Gladiator" und vieles mehr. Ja, die Kulisse passt hier wirklich genau.

Und dann geht es etwas schweren Herzens an die Rücküberquerung des Hohen Atlas. Abschied von der Wüste, die uns so mit ihrem Zauber fasziniert hat. Die Fahrt ist auch auf dieser Strecke wiederum spektakulär, was die Landschaft betrifft, aber sehr anstrengend mit unglaublichen Kurven und vielen kaputten Stellen in der Straße. Mit dem letzten Tageslicht rollen wir kurz vor Marrakesch auf einen wunderschönen Campingplatz, der auch Guesthouse ist und ein bisschen wie ein "Riad", also ein orientalischer Garten mit Wasser und Innenhof, konstruiert ist. Ich springe erstmal in den Pool und kühle mir die Sahara aus dem Leib.

(Kurzer Exkurs: Luftfeuchtigkeit in der Sahara ist weniger als 10%. Haar und Haut trocknen sehr schnell aus, die Schleimhäute fangen an zu brennen, zu schwellen oder man bekommt leicht Nasenbluten, und aus meinen Haaren gehen die Locken weg. Die fehlende Luftfeuchtigkeit trocknet Nase, Mund, Augen so aus, dass ich nach Tagen das Gefühl habe, die Wüste überall in mir zu spüren, auch so eine sehr spezielle, sehr neue Erfahrung, vor allem, wo wir in Mittelamerika dauernd in extrem hoher tropischer Luftfeuchtigkeit gewesen sind.
"I've been to the desert on a horse with no name..."

Und dann kommt Marrakesch.
Mal wieder mit den Fahrrädern, die uns so gute Dienste tun. Frühmorgens werden wir schon unfreiwillig wach - vom Muezzin mit ausdauerndem Koran-Gesang.  Dann radeln wir vorbei an duftenden Orangenblüten, im Schmutz spielenden Kindern, Eseln, Pferden, Pfauen, Störchen (die sind hier überall, oft in sehr großen Nestern auf Minaretten), in die unendlichen Tiefen der Souks (Märkte) dieser Stadt, die der Inbegriff des Orients ist.
Schlangenbeschwörer, Äffchen, Trommler, Gaukler, und Waren, Stände, Händler ohne Ende. Stimmengewirr, babylonische Sprachvielfalt, Wohlgerüche, Gestank, ein heraufwallender Streit mit Handgreiflichkeiten zwischen einigen Männern, eine plötzlich hervorhuschende Ratte, die verfolgt und unter Gejohle zertreten wird - es geht nicht gerade zimperlich zu. Aber so zeigt sich das Leben einmal mehr mit einer starken Sinnlichkeit, die durch kein Foto zu ersetzen ist.








Hat hier etwa jemand keine Lust zum Teppichverkauf und wollte lieber whatsappen?





(von Jessica)

Montag, 26. März 2018

In anderen Welten - Dades

Nach Tinerhir folgt auf unserer Strecke die Dades-Schlucht, wo wir bei den "pattes de singe" ("Affenpfoten") übernachten, mit einem inoffiziellen Führer ins Gespräch kommen und kurzentschlossen am nächsten Tag mit ihm eine Wanderung durch diesen spektakulären Teil der Dades-Schlucht machen und schließlich zu einer Berberfamilie kommen, die halbnomadisch lebt, d.h. das Jahr hindurch mit ihrer Herde von Behausung zu Behausung zieht und je nach Temperatur tiefer oder höher im Atlasgebirge unterwegs ist. Sie leben ohne Wasser und Strom in Höhlen, je nach Entfernung zum nächsten Dorf wird mit Esel oder Maultier einmal pro Woche, 14tägig oder noch seltener ins nächste Dorf hinabgestiegen und Mehl, Zucker und ähnliches gekauft. Wenn für die Tiere nicht mehr genug zu fressen vorhanden ist, wird weitergezogen, meist zu schon bekannten Wohnhöhlen, die seit Generationen in der Familie bekannt sind.

Als wir ankommen, ist der Vater gerade ins Dorf zum Souk (Markt) unterwegs, die Mutter hütet weiter entfernt die Ziegenherde, zu Hause sind die 17jährige Tochter, die sich schnell vollverschleiert, als sie uns Fremde sieht, und die drei kleinen Jungen der Familie, die sehr scheu etwas entfernt vor der Kochstelle draußen stehen und uns beobachten, als wir dort auf einer einfachen Matte sitzend Minztee serviert bekommen, für den wir einen kleinen Obolus entrichten. Die Tochter möchte später auf gar keinen Fall mit auf ein Foto,was wir natürlich respektieren. Wir werfen einen Blick in die Höhle - ein paar zusammengerollte Matten, ein Sack mit etwas Geschirr und Töpfen, ein anderer, vielleicht mit etwas Kleidung? Das war's. 
Im 21. Jahrhundert so leben, unglaublich. Larsane, unser Guide, erzählt uns noch vieles weitere über die Berber. Es ist einfach toll, so direkt, so persönlich Einblicke zu bekommen.


Durch die Dades-Schlucht hinauf zu den Berbernomaden



Die "Affenpfoten", eindrückliche Felsformationen


Weite, leere Wüstenlandschaft im südlichen Hohen Atlas


Berbernomaden- Wohnhöhle


Wir bekommen Minztee serviert, die Kinder schauen scheu zu





Unglaubliche Welten in Landschaft und Leben


Im Vordergrund auf dem Rückweg wieder die "Zivilisation" mit Oasental, 
im Hintergrund Schnee im Hohen Atlas


Die Dorf-Berberfamilie, bei der wir gecampt haben, wirkt dagegen bereits sehr modern, obwohl auch hier noch einfach und traditionell gelebt wird.


Weiter hinauf in der Dades-Schlucht wird es langsam richtig eng...


...und richtig hoch und steil. Die Haarnadel-Kurven sind spektakulär.
Mittendrin treffen wir Valentin, Henrik und Annika, die uns entgegenkommen und morgen in der Schlucht wandern gehen wollen.


Wir fahren nach diesen vielfältigen, schönen, doch auch zum Nachdenken anregenden Eindrücken weiter am südlichen Hohen Atlas entlang und wollen morgen per Fahrrad Oasen und Kasbahs (Lehmburgen) anschauen.

(von Jessica)

Sonntag, 25. März 2018

Tausendundeine Nacht - In den Schluchten und Oasen der Sahara

Noch immer sind wir südlich des Hohen Atlas, der in der Ferne ab und zu mal schneebedeckte Gipfel sehen lässt, davor Steinwüste und immer wieder märchenhafte Oasen, deren sattes Grün einen einfach unglaublich lebensvollen Kontrast zu dem steinernen Rot der Felsen und dem Blau des Himmels bildet. Wir fühlen uns eins ums andere Mal wie in einer lebenden Legende.

Wir stromern bei Erfoud in einem versteinerten Korallenriff umher und sammeln Fossilien, von denen es erstaunlich viele einfach so im Gelände gibt. Das Ambiente erinnert mich an Bilder aus dem Film "Der englische Patient". Ringsherum Wüste bis zum Horizont.

Ron und Henrik fahren mit dem Fahrrad bei Tinerhir die Thodra-Schlucht hinauf; Valentin, Annika und ich mit dem Auto hinterher. Danach schauen wir uns in Tinerhir, Kreisstadt für 72 Oasengemeinden, um, kaufen auf dem Markt ein, essen einfaches einheimisches Essen, genießen die völlig untouristische Atmosphäre.
Später fahren Ron und ich weiter am südlichen Atlas entlang und gelangen in die Dades-Schlucht, sozusagen im Outdoor-Wohnzimmer einer freundlichen Berberfamilie, bei denen wir auch essen.
Unsere drei jungen Leute werden in der nächsten Woche auf etwas anderen Wegen unterwegs sein, wir treffen uns erst am kommenden Wochenende wieder.

Ich glaube, die folgenden Bilder aus der Wüste sprechen auch ohne weitere  Beschreibung für sich.















(von Jessica)

Samstag, 24. März 2018

Mit Dromedar zum Biwak - Erg Chebbi/Merzouga

Wir genießen die neue Welt der Sahara und sind überwältigt von den Eindrücken im Dorf, in der Landschaft, von Farben, Bildern, Gerüchen, Geschmäckern.



Ausblicke von unserem Campingplatz- dichter an der Düne geht es kaum

Wir schauen uns vormittags in Ruhe die Oase an, ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem, das durch Erdaufhäufung oder -abstich die Wasserzufuhr regelt. Die Bepflanzung ist drei-etagig: unten in kleinen Parzellen schön schattig Weizen, Kohl, Hülsenfrüchte, Zwiebeln; in der mittleren Etage sind kleinere Obstbäume wie Mandel, Aprikose, Feige, Granatapfel; oben dann vollsonnig die Dattelpalmen. Es ist wunderschön. Doch am Oasenrand drückt der Dünensand hinein und ist eine stete Bedrohung für die Oasenwirtschaft.


Der Hauptkanal...


...mit Kreuzungspunkt, oben und unten mit Erde gestaut, das Wasser wird nur bei Bedarf in die Zweigkanäle geleitet


Weizen liegt zum Trocknen aus


Kohl in der schattigen unteren Ebene

Granatapfelbaum, Mittelebene

Typische Berberkluft
Kameldung in Säcken als Feuerungsmittel; hineindrückender Dünensand am hinteren Rand der Oase. -

Am Nachmittag holt uns Kamelführer Mustafa mit fünf Dromedaren zur Wüstentour mit Übernachtung ab. Eineinhalb Stunden Ritt in die Wüste hinein bei schon tiefem Nachmittagslicht. Wir erreichen unser Bivouac, wie es auf Französisch heißt, kurz vor Sonnenuntergang, richten uns auf den dicken Wollteppichen und -matten ein und bewundern das letzte Tageslicht vom Dünenrand aus. Mit marokkanischem Minztee und Tajine - einfach köstlich - und danach Berbermusik von Mustafa und Mohamed, der uns auch bekocht hat, und atmosphärischem Gesang, der den Klang der Sahara mitten ins Herz holt, und einem nächtlichen Gang unter einem unglaublich dichten Sternhimmel (inklusive Sternschnuppe!) können wir kaum fassen, was wir da gerade erleben. Es ist gleichzeitig intensiv und völlig surreal. Tausendundeine Nacht nicht im Buch, sondern vor und in unseren Nasen.

Und los geht's!
                                     

Pause auf halber Strecke: 
Unser Marokko-Team Ron, Henrik, Valentin, Annika und ich
...und natürlich Mustafa, mit einem weiteren Führer


Unser Bivouac: Zwei Schlafzelte, Kochzelt, Speisezelt. 
Toilette aber in freier Wildbahn. Platz ist definitiv genug.

Dünensurfen macht unseren Youngsters natürlich viel Spaß



Unsere Silhouette beim Rückritt am nächsten Morgen.

Am Morgen sind wir zum Sonnenaufgang wieder oben auf der Düne. Bald danach reiten wir gemächlichen Schrittes zurück. Nach Frischmachen, Frühstück und entspanntem Vormittag machen Ron und ich nachmittags noch eine Radtour nach Merzouga und Khamlia, kaufen dies und das von Kräutern bis zum Berberteppich (au weia - das Marokkoklischee voll bedient) und landen bei den Gnaoua-Musikern, Abkommen sudanesischer Sklaven, die in Khamlia ein ganzes Dorf besiedeln und ihre Kultur in ihrer Musik und ihren Tänzen lebendig halten. Von Berber-Afrika nach Schwarzafrika in wenigen Kilometern. Die algerische Grenze ist auch nur noch 20 Kilometer entfernt. Und per Fahrrad unterwegs. Einfach toll, einfach schön, einfach unglaublich vielgestaltig.



Unterwegs mit anderen Radlern...

...jungen Berbern im Whatsapp-Modus

noch jüngeren im Fußballmodus, ist doch weltweit ähnlich

Doch die Frauen sind verschleiert.

Abstecher beim Herborista, dem Kräuterhändler


...und dann Musik und Tanz bei den Gnaoua in Khamlia



Merzouga - unser Tor zur Wüste. 
Morgen heißt es schon wieder Abschied nehmen 
von diesem zauberhaften Fleckchen Erde.




(von Jessica)