Sonntag, 24. September 2017

Sinnlicher Süden

Als Ostseebewohner ist man Pastelltöne gewohnt - heller Sand, mattgrünes Dünengras, blaugraues Meer und der Himmel in vielerlei Grau- und Blautönen mit noch mehr Wolkenfarben und -formationen.

Spanien zeigt sich auch spät im September noch mit azurblauem Himmel, tiefblauem Meer, türkisblau im Flachwasserbereich, blendendweißen Häusern, hellgrünen Pinien, intensiven Blütenfarben.
Und erst die Fülle von Obst und Gemüse auf den Märkten und auch in der Natur: so farbenfroh, so reif, so schön anzusehen, so einfach zum Anbeißen: Tomaten, sonnenreif-süß (nie wieder möchte ich Hollandtomaten essen), Mangos, Avocados, Granatäpfel, kleine Canario-Bananen, lila Feigen... dazu das fröhliche Marktgeschrei der Verkäufer und das Stimmengewirr der Kundschaft. "Guapa"(Schöne"), "Carinio ("Liebling"), eins ums andere Mal werden einem die üblichen Galanterien zugeworfen, und man taucht tief ein ins Spanisch.

Sinnlichkeit in intensiven Farben, Formen, Gerüchen, extrovertiert und lebensfroh, direkt und stark. Sehr adjektivisch und kaum anders ins Wort zu bringen. Sich davon mitreißen und hinreißen lassen. Die Sinne sättigen.

(von Jessica)

Sonntag, 17. September 2017

So schmeckt Spanien!

Zu Spanien gehört die mediterrane Küche, hier als valencianische Paella von unserem Chefkoch in hausgemachter Art - hmmm!



(von Jessica)

Freitag, 15. September 2017

Erstes Etappenziel: Altea, Spanien


Ankommen in unserem kleinen Ferienhäuschen, das wir seit einigen Jahren besitzen; geliebtes Refugium im sonnigen Süden und von Beginn an ein wenig unser "second life".

Nach der Sommersaison mit den gebuchten Feriengästen sind wie immer diverse kleine Reparaturen zu tätigen, der Garten in Schuss zu bringen, und überhaupt ist so ein Haus eindeutig auf der Habenseite des Lebens platziert. Trotz allen Sein-Wollens in der Planung für das Jahr ein nicht zu übersehender Faktor. Aber da wir ja gern tätig und schaffig sind, stürzen wir uns erstmal eine Woche in die Pflege dieses Habens, was wie immer große Freude macht, aber durchaus anstrengend ist. Wer einmal eine große Dattelpalme bei spanischen Temperaturen geschnitten hat, weiß, was ich meine...
Nachmittags lassen wir es meist gut sein, dann gibt's mal eine kleine Siesta in der Hängematte oder an einem anderen schattigen Plätzchen, und wenn die Tagesglut ein wenig nachlässt, geht Ron auf Radtouren, ich zum Schwimmen. Ein guter Rhythmus für unser erstes Etappenziel.

Das Wetter ist einfach azurblau bombig und fast schon zu heiß (aber nur fast, da wir zu denen gehören, die einen Platz an der Sonne eigentlich immer genießen :-), will heißen 28 - 30 Grad Lufttemperatur, Wasser 26 Grad. Das macht gaaanz viel Spaß. Und dazu die warmen Abende, ärmellos bis Mitternacht!
Gesellschaft leisten uns zurzeit Tochterherz Marlene, Nichte Maria und ab morgen auch Sohnemann Valentin. Das Häuschen hier ist beliebter Treffpunkt, und da unsere Youngsters alle schon groß sind, müssen wir sie nicht bespaßen, jeder macht seine Aktivitäten wann, wo und mit wem es gerade passt, alles kann, nichts muss.




(von Jessica)

Montag, 11. September 2017

Von Frankreich nach Spanien

Nach zwei schönen und anregenden weiteren Besuchen bei Freunden in Arles und in Alès verbringen wir unsere vorerst letzte Nacht in Frankreich ganz im Süden, bei Perpignan, direkt am Strand. Auf dem Platz, wo wir mit dem Auto stehen wollen, tummeln sich ein paar seltsame Gestalten, zwei Familien in verbeulten Autos mit einem Haufen Kinder, die wie Überreste eines abgetakelten Wanderzirkus wirken, und ein Pärchen mit keifendem, hustenden, rauschebärtigen Althippie und einer flippigen, wesentlich jüngeren Frau, in einem Kleinwagen, der komplett zugemüllt ist. Da merke ich deutlich, dass unsere Abenteuerlust oder "esprit de vagabondage", wie wir es gerade bei französischen Freunden hörten, nicht auf alle Situationen zutrifft. Wir fahren kurzentschlossen einfach einen Kilometer weiter und stehen dann schön ruhig. Zum Sonnenuntergang und erneut kurz nach Sonnenaufgang Schwimmen im warmen Mittelmeer, oh wie schön...

An Weinbergen entlang überqueren wir die Pyrenäen an ihren letzten Ausläufern, an der Corniche (felsige Steilküste) bei Cerbère / Portbou. Portbou war wichtiger Fluchtort vieler Künstler und Schriftsteller während der Nazizeit, mit einem für dieses kleine Nest beeindruckend großen Bahnhof. Wir besuchen die schlichte, sehr ansprechende Walter-Benjamin-Gedenkstätte. Benjamin erreichte Portbou auf der Flucht vor der Gestapo unter dramatischen Umständen zu Fuß über die Berge und nahm sich dann dort vor Verzweiflung das Leben, als die spanischen Behörden ihn zurückschicken wollten. Was litten und leiden Menschen auf der ganzen Welt unter dem Diktat des Irrsinns.

Nächste Station: Figueres, nördliches Katalonien. Hier hat der spleenige surrealistische Künstler Salvador Dalí seine letzten Lebensjahre in einem nach seinen Entwürfen umgebauten Theater verbracht; heute ist es Museum seiner Werke. An die Wand geklebte Brote, überdimensionale Eier auf dem Dach, seltsame, zweckentfremdete Gegenstände, aber auch Gemälde, Skulpturen, Möbel - ein Kabinett des Skurillen, dass einen mit einer gewissen Ratlosigkeit hinterlässt.
  
Am Abend erklimmen wir bei Einbruch der Dunkelheit noch den Montserrat, mythisches Felsenkloster, in dem nach mittelalterlichen Glauben der heilige Gral aufbewahrt worden ist. Eine unglaubliche Anlage auf 725 Meter Höhe, die die älteste Musikschule Europas und ein noch mit Mönchen belebtes Benediktinerkloster beherbergt.
Morgens um 7.30 Uhr besuchen wir die Laudes (Frühandacht). In der riesigen Basilika sind wir fast allein, nur wenige Unentwegte sind mit uns dort. Die ca. 25 Mönche nehmen uns singend mit in ein vollkommen ätherisches Schwingen, in dem sich jeder auf seine Art durch den leicht von der Orgel gestützten Gesang hindurch fühlen und mit dem Höheren verbinden kann. Sehr schön, sehr freilassend. Ein Geschenk, den Tag so zu beginnen.
Mittags dann das Gegenteil: Menschenmassen schieben sich in denselben Raum, um die Escolanía, den Knabenchor, singen zu hören. Im Handyfilmgewitter eingezwängt zwischen Touristen aller Preis- und Altersklassen fühlen wir uns einfach nur unwohl. Besser hätten wir uns morgens nach der Laudes schon wieder auf den Weg gemacht.

Stunden später sind wir im Ebrodelta, dem wichtigsten Feuchtgebiet Spaniens. Rosa Flamingos, Reisfelder, Vögel aller Arten, und dann einfach nur noch eine Sandpiste, weit vorgelagert vor dem Festland zwischen offenem Meer und Flachwasserlagune.
Wir suchen uns eine schöne Düne und genießen wiederum den Standplatz ganz allein, direkt am Wasser, schwimmen abends und morgens, lauschen dem Rauschen der Wellen und sind glücklich. Einfach sein!










(von Jessica)

Montag, 4. September 2017

Und dann, plötzlich, der Süden.

So richtig, wie man ihn sich vorstellt: Azurblauer Himmel, Kalksteinlandschaften, Weinberge, die Reben voll schwarzer, praller Trauben, rote Ziegeldächer. Lavendelfelder (abgeblüht, lila Felder sieht man im Juni). Und die Sonne so klar, so intensiv - Malerlicht. Das innere Auge sieht förmlich die Renoirs, van Goghs und Gauguins. Unsere Impressionen aus dem Musée d'Orsay sind ja noch parisfrisch.
Trotz der Farben ist es zunächst kalt - der Mistral bläst Nordeuropaluft durch das Rhonetal hinab, gefühlt norwegisch.

Am nächsten Tag ist das vorbei und der Ventoux ruft (siehe Post Ronald). Ich fahre nicht mit dem Rad hinauf, da mein sportlicher Ehrgeiz radelnd bergauf komplett zum Erliegen kommt. Aber auch mit dem Sprinter ist es schon eine gewisse Herausforderung, auf die ich ein ganz klein wenig stolz bin, und gemeinsames Gipfelglück ist allemal schön ... das Gefühl von Glück und Freiheit ist heute überhaupt sehr stark. Die Weite der Landschaft, die Farben, die Gerüche. -

Abends in Avignon ist es kurzärmelig warm. Trotz Verkehrsbrandung lassen sich der am Rhoneufer spazierende Fasan, der im Wasser stakende Reiher und ich nicht in der Muße beeinträchtigen. So fühlt sich Entschleunigung an.
Und dann sind wir in der Camargue: Sümpfe, Tümpel, Kanäle, unterschiedlich stark fließende Rhone-Arme, mannshoher Bambus, hier und da weiße Pferde, und helle Trauben direkt vom Weinstock in den Mund.

Nachher und morgen warten noch Freundesbesuche hier in der Gegend, auf die wir uns freuen. Zwischen Paris, Westfrankreich und der Loire hatten wir auf dem Weg zwei Tage in unserer alten Heimat im Bourbonnais/Allier, wo wir von Begegnung zu Begegnung wanderten und sowohl von unserer früheren Schule in LaMhotte wie auch von all den lieben Menschen, mit denen wir zusammensaßen, wieder angerührt waren.




(von Jessica)

Er liebt mich, er liebt mich nicht - der Mont Ventoux

In der Provence nordöstlich von Avignon liegt der Mont Ventoux, ein 1900 Meter hoher Berg, der sich weithin sichtbar einsam in der Landschaft erhebt. Mehr als zehn Mal war er Bestandteil der Tour de France, manchmal war oben das Etappenziel. Dramen der Tourgeschichte, wie der Tod von Tom Simpson vor 50 Jahren, haben sich hier abgespielt.
Vor 18 Jahren war ich auf einer Klassenfahrt mit französischen Schülern einmal oben auf der kahlen Kuppe, von wo der Blick an klaren Tagen weit in die Landschaft reicht. Drei Wege führen hinauf, 20 bis 25 Kilometer lang, 1300 bis 1600 Höhenmeter sind zu überwinden, bei einer Steigung zwischen sechs und zwölf Prozent.
Dort mit dem Fahrrad hinauf - und auch wieder hinunter - zu fahren hat sich bei der Planung unseres Jahres als Gedanke geformt, der immer stärker wurde. Die Gelegenheit war günstig. Das Rennrad sollte hinten auf den Sprinter, wir konnten uns die Zeit einteilen, die Strecke führte uns in der Nähe vorbei.
Nicht gerechnet hatte ich mit der großen Kälte, die uns abends bei der Ankunft auf dem Campingplatz in Sault empfing. Gerade 13 Grad und dazu der Mistral, der die kalte Luft aus dem Norden das Rhonetal hinunterbläst.
Nach den heißen Tagen an der Loire fanden schon die Besuche bei den Freunden im Boubonnais bei kühlem und regnerischem Wetter statt, doch jetzt im Süden, so nahe am Mittelmeer, erwarteten wir andere Temperaturen.
Die Auskunft am Campingplatz stimmte dann doch ganz zuversichtlich; morgen sollte es wärmer und weniger windig sein. Das brachte die Entscheidung und zur Vorbereitung präparierte ich das Rad, justierte die Schaltung, prüfte Bremsen und Luftdruck und schmierte die Kette.
Da ich nicht einschätzen konnte, worauf ich mich einließ, wählte ich die zwar längste, aber am wenigsten steilste Strecke. Ich wollte nicht zu früh starten, um der Sonne die Chance zu geben, den Tag vorzuwärmen. Jessi wollte mit dem Sprinter etwas später hinauf fahren, so dass wir uns oben treffen konnten.
Nach einem kräftigen Frühstück am Morgen, Aufbruch kurz nach zehn in Sault. Mit kurzen Hosen, aber langen Ärmeln und einer Windjacke in der Tasche ging es von Sault etwas hinab ins Hochtal, wo der Aufstieg begann. Das ist in Ostholstein nicht und auch sonst kaum irgendwo zu proben: 25 Kilometer Steigung am Stück und auch bis in eine Höhe von fast 2000 Metern war ich bisher nicht geradelt.

Mit mäßiger Steigung ging es durch Lavendelfelder in südlichem Licht wenige hundert Höhenmeter hinauf, bevor die Straße in einen dichten Pinienwald hineinführte. Nach einer halben Stunde stetigen Bergauffahrens stellte sich ein Fahrgefühl ein, bei dem ich nicht mehr hinter jeder Kurve auf eine sich ankündigende Abfahrt wartete, sondern das Steigen zum Normalen wurde, dem sich Trittfrequenz, Atem und Puls anpassten.
Die Fahrer der Tour bewältigen den Berg in etwas mehr als einer Stunde (nachdem sie vorher schon fast eine Tagesetappe hinter sich gebracht haben), meine Vornahme war, nicht viel länger als die doppelte Zeit zu brauchen. Die Strecke schraubte sich am Hang hinauf, die Rechtskurven waren unangenehm, da dann ein kalter Wind vom Berg herab die Fahrt erschwerte, dagegen freute ich mich über jede Linkskurve, hinter der mich ein Rückenwind anschob. Trotzdem war es ein guter Tag, um hinaufzufahren, von denen es auch in der Saison nicht so viele gibt, wie man eigentlich denken würde.
Einige Radler und wenige Autos kamen mir schon entgegen, ansonsten war ich recht allein auf der Strecke und statt der anfeuernden Menge an den Straßenrändern standen mit Farbe auf die Straße gemalte Rufe da, "vite, vite", "allez","je t'aime" oder auch "vas y, Thomas". Wenn auch nicht auf mich bezogen, nahm ich  die Ermunterungen doch persönlich.
Am Straßenrand stand jeden Kilometer ein Stein, auf dem die verbleibenden Strecke und die durchschnittliche Steigung des kommenden Kilometers notiert war, ob Fluch oder Segen, konnte ich nicht genau sagen, da ich den nächsten Stein zwar herbeisehnte, aber gleichzeitig darüber erschreckte, wie lange sich ein Kilometer hinzog.
Nach zwanzig Kilometern auf einer Höhe von 1500 Metern hörte die Bewaldung auf und das schwierigste Stück des Aufstiegs begann. Es wurde steiler, der Wind von der kahlen Kuppe heftiger und die durch einen Turm schon weithin sichbare Bergspitze schien in unerreichbarer Höhe und Ferne zu liegen. Auf diesen letzten fünf Kilometern wurde die Beine immer schwerer, ebenso wie das Luftholen, um die Muskeln ausreichend zu versorgen. Ich versuchte, mir die zwei leichtesten Gänge möglichst weit hinauf aufzusparen, doch das hielt nicht lange vor.
Die einheitlich weiß wirkende Bergspitze besteht aus unendlichen Geröllfeldern von weißem Kalkstein, der in der Sonne zu glitzern scheint. Ich war schon eine Weile nicht mehr allein unterwegs, viele Radler waren auf dem Weg nach oben oder fuhren schon wieder herunter. Der letzte Kilometer war der steilste und auch der anstrengendste. Auf das nicht näher kommende Ziel zu blicken, war frustrierend, ich versuchte wie Beppo, der Straßenkehrer bei Momo, mich über jeden Tritt zu freuen, um nicht ans Aufgeben zu denken.
Keuchend kam ich nach zwei Stunden und fünfzehn Minuten oben an, begrüßt von Jessi, die mich zwischendurch an der Strecke auch schon aufgemuntert hatte. Das Triumphgefühl stellte sich erst nach einer Weile des Verschnaufens ein. Oben trafen sich viele erschöpfte, aber glückliche Radler, die, jeder in seinem Tempo, angekommen waren.
Die Abfahrt etwas später war traumhaft. Fast eine halbe Stunde in schneller Fahrt bergab, absolutes Vertrauen in das Material und die Freude darüber, es geschafft zu haben; ein Gefühl von Freiheit und Glück begleitete mich hinunter.

                                      






(von Ronald)