Sonntag, 28. Januar 2018

Zwischenbilanz - Glückliches Drunter und Drüber

Nachts nicht schlafen können, nicht wegen spukender Gedanken, sondern hellwach wie nach (nicht getrunkenem) Kaffee. In den Morgenstunden zwischen 6 und 10 Uhr schlafen wie ein Stein.  Rechnen wir sechs Stunden zurück und wir sind in der tiefen Nacht unserer mittelamerikanischen Zeitzone. Aha, also Jetlag ist das. Tut nicht weh, aber zeigt uns deutlich, wie sehr sich der Organismus in drei Monaten an den anderen Biorhythmus gewöhnt hat. Und das ist auch nach einer Woche Europa offensichtlich noch nicht vorbei.
Die Halbschlafmomente und Halbwachträume: Ich höre dauernd kubanische Geräusche, Straßenlärm, Stimmen, bin zu Fuß, im Bus, im Taxi unterwegs, liege in einem Kolonialzimmer in Havanna oder Santiago und verstehe im ersten Morgenlicht gar nicht, wo ich bin - ach so, das ist ja unser spanisches Haus, wir sind in Europa!
Und die europäischen Bakterien wollen unsere Innereien natürlich auch wieder besiedeln, was nicht ohne Bauchgrimmen und etwas Fieber und Bettruhe vor sich geht.

Und gleichzeitig wissen: Ich muss weder arbeiten noch sonstwie strammstehen und funktionieren. Ich darf  "einfach (schlapp) sein". Und wenn sich seelische und körperliche Akklimatisierungs- und Verdauungsbedürfnisse anmelden, dann habe ich, haben wir Zeit und Recht dazu.

Das Einkaufen macht Freude! Es kommt das in den Korb, worauf wir Appetit haben, nicht nur das, was gerade zu bekommen ist. Wie herrlich ist die große Auswahl an Obst und Gemüse, aber auch an allem anderen. Wir müssen gar nicht alles kaufen und probieren, eher im Gegenteil, wir kaufen und kochen sehr einfach, Hausmannskost mediterran und freuen uns an den Geschmäckern.

Und sonst? Das Wetter ist tagsüber oft sonnig, so dass man in Top und Shorts an windgeschützten Plätzen, z.B. unserer kleinen Terrasse, wunderbar sitzen und sich darüber freuen kann, nicht tropisch-feucht vor sich hin zu schwitzen und über jede Wolke, jeden Schatten froh zu ein, sondern die Sonne auf der Haut einfach zu genießen. Nachts ist es aber bis 10 Grad kühl, ab und zu regnet es. Ich glaube, damit werden wir in den nächsten Wochen sehr gut klarkommen.



Zwischenbilanz nach einer Woche? Ankunft Spanien zwar biorhythmisch geprägt, aber insgesamt sehr gut, Europa-Zugehörigkeitsgefühl sehr stark, und ein tiefes Erleben des Ausatmens nach drei unglaublich intensiven Monaten.
Dankbarkeit, diese Reise in die "Neue Welt" ohne Krankheit, Unfälle, drohende Gefahr oder sonstige Schrecklichkeiten erlebt zu haben, Dankbarkeit über die Vielzahl von starken, erfüllenden und schönen Erlebnissen und Dankbarkeit auch darüber, die Welt vielleicht wiederum ein wenig besser zu kennen und zu verstehen.

Und - ihr kennt ja Ron - die erste Fahrradtour gab es auch schon, und die ersten geplanten häuslichen Umgestaltungsarbeiten wurden bereits in Angriff genommen.


Beim Blick auf die kleine Kachel mit der weißen Taube in unserem Ölbaumtopf geht es mir irgendwie auch so: Fliegen, aber auch Halt haben durch den Ölzweig und Verheißung spüren auf Land am Horizont, altes oder neues.

(von Jessica)

Dienstag, 23. Januar 2018

Der erste Kreis rundet sich...

Ein letzter Blick auf die zigarettenverkaufende Frau von Gegenüber, dann gehts mit Julio, unserem nun schon bekannten Fahrer, zum Flughafen Santiago.



Von Santiago zurück nach Havanna haben wir einen Inlandsflug mit Air Cubana, der natürlich prompt verspätet ist, zunächst angekündigte drei, dann gerüchteweise mindestens fünf Stunden. Wir betteln um Einbuchung in einen der früheren Flüge. Nach Wartezeit und der Ankündigung, ältere Leute und Familien mit Kindern zu bevorzugen, bekommen wir dann aber tatsächlich ein Boarding-Ticket. Dieser Flug hat allerdings inzwischen auch Verspätung, genau wie alle weiteren Air-Cubana-Flüge des Tages, und dreimal müssen sich im Abflugraum die Fluggäste zum Boarden anstellen, werden dann aber wieder hingesetzt. Warum? Wieso? Das muss man in Kuba nicht versuchen zu verstehen. Wir steigen schließlich ein, haben trotz Sitzplatznummer freie Platzwahl, wie auch sonst bei Busfahrten, was durchaus für ein gewisses Gewühl sorgt, bis alle sich einsortiert haben. Kann man ja irgendwie unkonventionell finden. Trinkwasserflaschen werden genehmigt und im Sicherheitscheck mit durch die Schleuse gefahren - Flüssigsprengstoff ist in Kuba wohl unbekannt - man darf sich einfach über gar nichts wundern.


Der Landing-Strip sieht ziemlich wellig aus...
und Santiago verabschiedet uns mit feuchtwarmen Tropen-Nieselregen.


Und dann sind wir wieder in Havanna, für die letzten zwei Nächte vor Abflug nach Europa, diesmal aber nicht im Vedado, sondern in einem anderen Stadtteil - Centro Habana - schmutzig, laut, krass, mitten im Leben der Menschen, aber etwas verkehrsgünstiger gelegen für das, was wir uns noch anschauen wollen, und unsere Unterkunft ist gut und die Familie unserer Casa particular sehr nett.


Wir erlauben uns noch zweimal ein Abendessen in Paladars - privaten Restaurants - gehobener Klasse, hören guten Live-Jazz in der Casa Miglis, nochmal Son im Cafe Inglaterra, stromern herum.



Der Paladar "Guarida" ist in einem der palastartigen Kolonialbauten, die Stück für Stück restauriert werden, ohne aber die Mieter unten zu vertreiben, sehr interessant und wunderschön, auch wenn mittags die Tischwäsche des Restaurants im Mittelgeschoss noch zum Trocknen im Wind flattert.





Am Tag darauf erfasst uns am Malecon etwas Wehmut, unsere dreimonatige West-Reise nun zu Ende gehen zu sehen. Gleichzeitig sind wir so voller Eindrücke, dass es auch gut ist, nun etwas zu pausieren, zu verdauen und durchzuatmen. Und gerade Kuba als letztes Land war und ist immer wieder so krass, dass man manchmal nicht weiß, ob man lachen oder schimpfen soll.


Wenige Stunden vor Abreise schlendern wir dann noch durch den Callejon de Hamel, eine Gasse voller afro-kubanischer Hinterhofkunst mit allerlei Santeria-Fetischen, lautstarker Rumba-Livemusik und Live-Tanz. Da geht es natürlich mal wieder nicht ohne Mitmachen...




Eine Wahrsagerin mit Karten, in afro-kubanischer Lässigkeit.


Das Atelier, in dem die erste Show stattfindet, gehört einem Künstler, einem älteren Herrn, der im täglichen Leben Arzt und Psychiater an einer nahen Klinik ist und sich abends und am Wochenende mit kreativer Druckgraphik sein Gehalt aufbessert. Auch das ist so typisch kubanisch.

Als wir dann am Flughafen Havanna schon auf Abflug nach Europa eingestellt sind, erfahren wir, dass unser Transatlantikflug nach Madrid... verspätet sein wird. Ätz!
Mit vier Stunden Verzögerung fliegen wir statt 19.30 Uhr dann 23.30 Uhr ab. Doch damit nicht genug. Wir müssen auf halber Strecke eine ungeplante Zwischenlandung durchführen, da eine ältere Dame akute ärztliche Hilfe braucht. So landen wir also mit unserem 400-Mann-Flieger hau-ruck auf einer Mini-Insel der Azoren, die Landepiste so dicht am Wasser, dass man lieber gar nicht so genau hinschaut. Allerlei Blaulichter warten dort schon blinkend auf ihren Einsatz.

Azorenhoch?

Was genau passiert ist, erfahren wir gar nicht, aber bis zum Weiterflug vergehen weitere zweieinhalb Stunden, alle Passagiere raus, nach durchflogener Nacht Frühstücks-Sturm auf das Ein-Mann-Cafe des Inselterminals Santa Maria; mal wieder Schlangestehen, Kuba lässt grüßen, na ja, sind ja auch viele Kubaner hier !? Durch die Streckenänderung muss die Maschine auch noch neu betankt werden, danach alle wieder rein in die Kiste und durchhalten... Hier kommt also das Azoren-Hoch des Wetterberichtes her. Ist aber heute eher ein Tief, wolkig und leichter Regen.

Und dann sind wir nach drei Monaten ziemlich gerädert wieder in "good old europe", wo uns Sonnenschein in Madrid empfängt, unser alter Renault geduldig am Langzeitparkplatz wartet und brav anspringt. Wir setzen uns beim Tanken erstmal genüsslich in die Bistro-Ecke der Tankstelle und genießen die ersten frischen Äpfel, saubere Toiletten, in denen man das Papier mit herunterspülen darf (und nicht in einem Extra-Eimer versenken muss), leicht verständliches Hoch-Spanisch und überhaupt das Gefühl, wieder zu Hause in Europa zu sein.
Nochmals sechs Stunden später sind wir dann in unserem privaten Zuhause in unserem Häuschen in Altea, wo wir uns über all das riesig freuen, was wir hier an Bequemlichkeit nach dieser langen Rucksackzeit wieder genießen können, bevor wir in einigen Wochen erneut losziehen wollen. Aber darüber beizeiten mehr!

(von Jessica)

Sonntag, 21. Januar 2018

Uniformen?

Rot-weiß bei den Grundschülern, ockerbraun-weiß bei den Sekundarschülern, blau-weiß oder blau-blau bei den Berufsschülern odern prä-universitären Bildungsstufen, aber auch bei Polizei, Militär, Stewards und Hostessen... Uniformen gehören zum täglichen Bild in Kuba. Schuluniformen gibt es in vielen Ländern, in Deutschland nicht - dort hat jeder auch kleidungsmäßig das Grundrecht auf "freie Entfaltung der Persönlichkeit".










Bereits in Afrika, nun aber auch hier stellen wir fest, dass wir, auch wenn dies zunächst unmodern daher kommen mag, Schuluniformen eigentlich ziemlich gut finden. Warum? Weil sie jedem, ob arm oder reich, ermöglichen, mit korrektem Outfit in die Schule zu kommen. In den westlichen Ländern herrscht unter Kindern und Jugendlichen oft Markenzwang oder auch Trendzwang. Wer da nicht mithält, wird schnell gemobbt. In weniger entwickelten Ländern ist der Ärmere derjenige, der auffällt, da er sich nicht so kleiden kann, dass er im öffentlichen Leben auftreten kann.

Die Schuluniform ermöglicht jedem, sich im Bildungsrahmen angemessen zu bewegen und auch zu unterscheiden zwischen Schul- und Privatleben. In Europa ist der Hang zu sehr nachlässiger Kleidung auch am Arbeitsplatz oder in der Schule inzwischen gang und gäbe.



Witzig ist, dass gerade bei Damen trotz Uniform hier in Kuba durch die Strumpfhose gern eine besondere und sehr weibliche Note geschaffen wird; Netzstrumpfhose und Pumps scheinen da beliebt zu sein. Da können die Schülerinnen mit ihren weißen Kniestrümpfen natürlich nicht mithalten - aber das ist vielleicht auch ganz gut so.


Am Eingang einer Sekundarschule in Santiago grüßt ein Skelett am Fenster - das wird wohl der Biologieraum sein. Auch ein Knochenmann hat in diesem Klima scheinbar das Recht auf Belüftung.

(von Jessica)

Samstag, 20. Januar 2018

Musik und Musiker - Santiago

Ein paar schnelle Impressionen von Straßenmusikern, manchmal sehr arme Gestalten, Tänzern aus der Rumba-Show im Karnevalsmuseum, so traditionell-afrikanisch, dass wir uns nach Westafrika zurückversetzt fühlen, wo wir vor acht Jahren waren.









Aber von dort stammt die hiesige Bevölkerung ursprünglich ja auch.
Die Show ist mit Publikumsbeteiligung. Wir tanzen mal wieder kräftig mit!

(von Jessica)

Freitag, 19. Januar 2018

Kreuz und quer in Santiago

                         Weitere Stadtimpressionen dieser schönen alten Kolonialstadt.
        Die Kathedrale wurde mehrfach von Erdbeben zerstört, aber immer wieder neu                                                                           errichtet.
                                              


Kolumbus, im Bild auf der obigen Statue, landete 1492 auf Kuba; unten sein Hofschreiber San Bartolome de las Casas, der sich u.a. gegen das gnadenlose Abschlachten der Tainos, Ureinwohner Kubas, einsetzte.








Ausflug zum Castillo Morro, das 8 km südlich die schmale Einfahrt in die Bucht, die Bahia de Santiago, überwacht, Piratenabwehr, aber auch Gefängnis war, mit Folterkammer und einer kleinen Kapelle, in der vier Kubanerinnen gerade, als wir vorbeikommen, Gospels und Traditionals so hingebungsvoll singen, dass ich Gänsehaut bekomme.



Später ein letztes Bad unterhalb des Castillos an der Playa Estrella in der karibischen See, bevor wir mit Julio, unserem privaten Taxifahrer, in einem Oldtimer von 1949 wieder in die Stadt fahren.

Zwei schweißtreibende, aber lehrreiche Tanzstunden bei Yacell gegenüber, die in einfachsten Verhältnissen wohnt, einen deutschen Freund aus Düsseldorf hat, der ab und zu nach Kuba kommt, und die von einem Leben im Wohlstand träumt. Ob er allerdings längerfristige Pläne hat???
Wir sehen hier so viele Jineteros und Jineteras, junge schwarze Callboys für ältere weiße Damen bzw. junge schwarze Callgirls für ältere weiße Herrren. In Bars, vor allem in Tanzbars, wird zum Teil ausufernd angebaggert. Zugegeben sind viele Super-Tänzer dabei :-), aber ich bin doch manchmal etwas befremdet. Na ja, das älteste Gewerbe der Welt, nicht wahr? Doch das Wohlstandsgefälle zwischen denen, die die Dienste kaufen, und denen, die sie verkaufen, hinterlässt immer wieder ein Gefühl von Unrecht.

Jeden Tag neue Eindrücke, und doch haben wir das Gefühl, Kuba inzwischen doch etwas besser zu kennen und trotz all dem, was immer wieder nervig und anstrengend ist, doch auch stetig mehr zu akzeptieren und auch zu mögen, so z.B. die viele tolle Musik, die vielen tollen Musiker, einfach unglaublich. Wir hören gern zu, in den Straßen, auf den Plätzen, in Kneipen und Restaurants, und tanzen auch gern zu Son- und Salsamusik. Und wir stellen fest, dass wir den Osten Kubas ansprechender finden als den Westen.

( von Jessica)