Mittwoch, 30. Mai 2018

Dürfen es ein paar Pfund mehr sein?

Mit der Ausreise aus Ägypten nehmen wir auch vom Ägyptischen Pfund (EGP) Abschied - was uns nicht besonders schwer fällt. Ein Euro entspricht etwa 20 EGP, gängig sind hauptsächlich Scheine imWert von einem, fünf, zehn, zwanzig, fünfzig, hundert und seltener zweihundert EGP. Der Ein-Pfundschein ist also noch fünf Cent wert, aber durchaus gängiges Zahlungsmittel. So kostet die nationale Nilfähre ein Pfund, ebenso wie eins der weichen kleinen Brote.

Die erste Schwierigkeit besteht schon darin, die Scheine zu erkennen. Die Vorderseite ist auf arabisch bedruckt, so dass wir nicht einmal die Ziffern entziffern können (denn unsere indisch-arabischen Ziffern unterscheiden sich gänzlich in der Schreibweise). Erschwerend kommt hinzu, dass die bei neuen Scheinen noch zu unterscheidenden Farben allmählich eine ähnlich braun - grüne Patina entwickeln.

Auf der 'B-Seite' sind die Ziffern für uns lesbar aufgedruckt, was die Suche nach dem richtigen Schein erleichtert, aber noch nicht selbstverständlich macht.

Als wäre man damit nicht schon genug beschäftigt, folgt beim Bezahlen das Drama mit dem Wechselgeld. Ob Kiosk, Taxi, Museumshop oder Restaurant - niemand kann wechseln. Voller Unverständnis stehen wir fassungslos mit unserem Einkauf im Laden und sehen zu, wie der Besitzer mit einem Geldschein im Gegenwert von fünf Euro zu seinen Nachbarn läuft, um an Wechselgeld zu kommen.
Das führt zu einer Hamstermentalität: kleine Scheine werden gehütet und gesammelt, mit der Konsequenz, dass man die Scheine sprichwörtlich pfundweise mit sich herumträgt.

Als Bakschisch jedoch sind große Scheine sehr beliebt. Da nicht jeder kellnern kann oder als Liftboy angestellt ist, legen viele Ägypter, die auf irgendeine Weise mit Touristen, den Melkkühen, die man äußerst zuvorkommend pflegt, in Kontakt kommen, erstaunliche Phantasie an den Tag, Dienstleistungen zu ersinnen, die zuweilen recht beharrlich aufgedrängt werden können. Kofferträger bieten allerorten ihre Dienste an, selbst ernannte Führer begleiten zum schönsten Hotel, Museumswärter haben eine geheimnisvolle Entdeckung  mitzuteilen, der Gärtner im Hotel pflückt schnell ein Blümchen, um gleichzeitig die andere Hand aufzuhalten. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. 
Die kategorisch konsequent ablehnende Haltung, die man notgedrungen entwickelt, kann auch dazu führen, echter Freundlichkeit, die uns auch häufig begegnet, ebenso oder zumindest sehr misstrauisch zu reagieren. 
So geben wir acht, nicht abzustumpfen, um der Situation angepasst zu reagieren und sind doch froh, mit Israel wieder in ein Land zu kommen, dass unserer europäischen Mentalität viel näher steht. So anregend die Begegnung mit dem Fremden ist, auf die wir uns immer wieder gern einlassen, so sehr freuen wir uns dann auch wieder am entspannten Reisen in bekannten Gefilden. 

( von Ronald)

Dienstag, 29. Mai 2018

Pilgern auf ägyptisch - Herausforderung Sinai

Der Sinai, seit biblischen Zeiten ein legendärer Ort: 
Felsige Steinwüste in bizarren Formationen, unzugänglich, ablegen, praktisch unbewohnt. Am Berg Sinai im Süden der Halbinsel hat Moses laut Bibel nach dem Auszug des Volkes Israel aus Ägypten die Zehn Gebote empfangen, hier fand er nach seiner Rückkehr vom Berg sein Volk, wiederum der Anbetung der alten Götter verfallen (das Goldene Kalb - vielleicht die pharaonische Göttin Hathor, die oft in Kuhform dargestellt wird, wie wir in den letzten Wochen gesehen haben), hier offenbarte sich Moses der Allmächtige in Form eines brennenden Dornbusches, hier enstand schon wenige Jahrhunderte nach Christi Geburt ein Kloster. 

Später garantierte der Prophet Mohammed dem Kloster Schutz und Frieden, zudem hinterließ sein Kamel laut muslimischer Überlieferung einen Fußabdruck im Stein. Für Christen, Juden und Muslime ist Moses/Moshe/Musa eine tragende Gestalt der Religion und der Sinai also letztlich ein multikultureller bzw. multireligiöser Ort. Heutzutage erfreut sich der Berg eines Besucherstromes, der neben dem Kloster vor allem der spektakulären Landschaft gilt, die gern zum Sonnenuntergang oder auch als Nachtmarsch zum Sonnenaufgang erwandert wird.

Der Berg Sinai, von Norden gesehen.


Wir steigen natürlich auch auf diesen besonderen Berg. Leider haben wir ziemliches Theater wegen und mit einem Bergführer, den wir sozusagen aus Sicherheitsgründen zwangsverordnet bekommen, da hier zu viele Unfälle passiert sind. Ich bin darüber ziemlich wütend, und es endet damit, dass Ron mit dem Kerl allein loszieht und ich im Abstand von etwa 30 Minuten hinterher komme. So habe ich beim zweistündigen Aufstieg diesen phantastischen Berg komplett für mich allein, und oben treffen wir uns wieder.


Ein steinernes Meer - unglaublich intensive Landschaft.



Detail vom Gipfelkirchlein, das leider geschlossen ist.


Das Picknick schmeckt, wie immer auf dem Gipfel, vorzüglich!


Neben dem Kirchlein steht die kleine Gipfelmoschee. 
Sie ist erstaunlicherweise geöffnet - dabei klettern neben Naturliebhabern vor allem Christen hier hinauf. 


Ein Mönch erschuf aus selbstauferlegter Buße vor vielen Jahrhunderten vom Kloster aus eine Art Himmelsleiter auf den Mosesberg mit mehr als 3000 Stufen.


Das sogenannte Glaubenstor im oberen Teil des Stufenweges.


Tief im Tal das völlig isoliert gelegene Katharinenkloster.


Auf dem Weg zur Besichtigung des Klosters.


Hier leben seit dem 3. Jahrhundert nach Christus griechisch-orthodoxe Mönche, es ist das älteste noch belebte Kloster überhaupt.


Im Klosterhof...


...ein Sprössling des brennenden Dornbusches.


Die Heilige Katharina, Schutzheilige des Klosters.
Im Klosterschatz gibt es ńeben schönen Ikonen vor allem viele alte Manuskripte, also Handschriften der Bibel zu sehen, in latein, griechisch, armenisch, arabisch, syrisch und anderem mehr. Wieviel Mühe, Zeit, aber auch Hingabe darin steckt!


Ringsherum ist Beduinenland; das Palästinensertuch zeigt die Nähe zu Palästina und Saudi-Arabien. Die arabische Welt ist so derartig anders - schon nach zweieinhalb Wochen hier könnte man tausendundeine Geschichte erzählen...


Vorn im Pick-up fahren der Vater und zwei vollverschleierte Frauen mit Baby, auf der Ladefläche der Rest der Kinder.


Die beduinische Kaffeekanne, überall in Ägypten zu sehen, ist Symbol der Gastfreundschaft.
Für uns geht unsere Zeit als Gäste im Land mit dem Besuch des Sinai dem Ende entgegen. Der Weg führt uns weiter Richtung Israel. 

(von Jessica)

Montag, 28. Mai 2018

Abschied von Kairo - und auf in den Sinai!

Während wir letzten Dezember in San José/Costa Rica schräg gegenüber der Alliance Francaise, dem französischen Kulturinstitut gewohnt haben, so in Kairo am Goethe-Institut. Ist direkt ein kleines Stück Heimat...




Bummel durch die islamische Altstadt. Diese Moschee kann die Ähnlichkeit zu gotischen Kirchenbauwerken nicht leugnen...


...während hier islamische Baukunst vorherrschend ist. Das vielstimmige Gewirr, wenn nicht Geplärre der Muezzins ist aber überall ähnlich übersteuert und wirkt auf uns durchaus immer wieder wie Zwangsbeglückung. Aber vielleicht sind unsere Kirchenglocken das auch - wenn auch in bescheidenerem Rahmen?


Pharaonisches Erbe: Die stilisierten Papyrusblüten sind allgegenwärtig, hier als riesige Sonnenschirme.



Beim Besuch der Al-Azhar-Moschee, der höchsten Instanz für islamische Glaubensfragen und mit wunderschönem Innenhof, bekomme ich eine züchtige Ghalabiya zwangsverordnet. Ich nehme es mit Humor und doch - man wird irgendwie unsichtbar gemacht, und barfüßig im Innenhof sitzend und die Menschen in ihren islamischen Angelegenheiten - geschäftig oder auch nur herumsitzend -  beobachtend, fühle ich mich wie in einer Tarnkappe, wage auch immer weniger, Kopf und Augen zu heben und nach üblicher Art geradeheraus zu schauen. Interessante Selbstwahrnehmung. Nein, diese Freiheit würde man als moderne Europäerin sicher nicht zu schnell aufgeben wollen, und das ist auch gut so.


Zwangsverkleidet!


Besuch der Zitadelle, dort ist die wunderschöne Alabastermoschee und ein herrlicher Blick auf Kairo bis zu den Pyramiden, die hinten im Dunst zu ahnen sind (siehe voriger Post), und außerdem ist hier oben auch richtig gute Luft - das ist unten in Kairo sonst nicht der Fall.



Wir nehmen Abschied von dieser irgendwie irren Stadt, in der der tägliche Verkehrsinfarkt noch unsäglicher ist als in Istanbul; am ehesten vergleichbar dem, was wir im Herbst in Guatemala City erlebt haben.



Und nie versteht man, was eigentlich auf den Schildern steht...
Eine lange Busfahrt mit einem schmutzigen, klapprigen nationalen Bus bringt uns unter dem Suezkanal hindurch auf den Sinai, unsere letzte Station vor der Weiterreise nach Israel.


Beim Warten vor dem Suezkanal-Tunnel sehen wir oben vor Wüstenpanorama die großen Containerschiffe vorbeiziehen. Hoffentlich werden sie vor Somalia nicht gekidnappt.


Auf der Gegenseite lange Warteschlangen mit heftigen Waren- und Personenkontrollen zur Ausreise aus dem Sinai, inklusive Fahrzeugscanner, wie wir es auch in Marokko erlebt haben. Wegen der Flüchtlinge oder Terroristen? Wir wissen es nicht.


Wüste vor dem Sinai...


... und im Abendlicht erste Eindrücke der phantastischen Wüsten-Bergwelt der Sinai-Halbinsel. Morgen wollen wir den Berg Sinai, wo nach biblischer Erzählung Moses die Zehn Gebote empfing, erklimmen.


(von Jessica)

Sonntag, 27. Mai 2018

Mitten drin

Fast zum Abschluss unseres Ägypten- und Kairoaufenthaltes besuchen wir das letzte noch existierende der einstigen Weltwunder.
Von der Zitadelle mitten in Kairo sehen wir die Pyramiden am Stadtrand im Dunst liegen.

So viele Bilder gesehen, so viel über die Pyramiden gelesen und gehört, habe ich mich gefragt, ob dem noch etwas hinzuzufügen ist.


Doch das Laufen, Schauen, Fühlen lässt das Wissen in den Hintergrund treten.



Die Chefrenpyramide, die noch etwas von der ursprünglichen Spitze behalten durfte, ist geschlossen. In 20 m Höhe, dort, wo ich stehe, ist der Eingang.



Dem Sphinx wurde übel mitgespielt, die Mameluken benutzten ihn als als Zielscheibe für Kanonenschüsse, und hat doch seine Würde behalten.


In die Cheopspyramide, die Große Pyramide, kommen wir hinein.


Nicht durch den eigentlichen Eingang, dessen Gang verschüttet ist, sondern durch einen Stollen, den Grabräuber schon vor der Zeitenwende gegraben haben, machen wir uns auf den Weg mitten hinein.

Den schmalen Grabräubergang horizontal entlang, bis wir auf den Aufgang stoßen, der nur einen Meter hoch, nach unten konisch zulaufend, zum Schutz vor Grabräubern verschlossen werden konnte, arbeiten wir uns hinauf bis zur großen Galerie. Dieser erhabene, sechs Meter hohe und 50 Meter lange Gang bringt uns hinauf in die Höhe der Grabkammer. 
Während die Pyramide ganz aus hiesigem Kalkstein besteht, ist die Grabkammer ein quaderförmiger (11m x 5m x 5m), kapellenähnlicher Raum aus rotem, glattgeschliffenem Granit. Nur ein leerer Sarkopharg steht an der Stelle, wo man in einer Kirche den Altar finden würde.
Die wunderschöne Schlichtheit des Raumes inmitten von Millionen Tonnen Stein, die wir einige Minuten ganz für uns haben, genießen wir.


Im zweckmäßigen Austellungsraum neben der Pyramide ist das Sonnenboot zu besichtigen, 
das in einer eigenen Kammer in Teile zerlegt bis zu seiner Entdeckung vor 50 Jahren ruhte.

Ein unteres kleines Stück der Verkleidung ist bei der kleinsten der drei großen Pyramiden von Giza erhalten, viele andere Fassadensteine liegen durcheinander, wie große Bauklötze.

Vom zur Pyramide gehörenden Taltempel, der direkt am Nil lag, dessen Bett sich kilometerweit verschoben hat, dem Aufweg und dem Totentempel zeugen nur Ruinen.


Die für ewige Zeiten geschaffenen Monumente müssen neben dem Zeugnis menschlicher Schaffenskraft Ausdruck sein einer engen Beziehung zum sehnsüchtig erwarteten Totenreich.

(von Ronald)