Mittwoch, 13. Juni 2018

Hoch hinaus

Unsere letzte Etappe in Israel führt uns nach Tel Aviv, von wo wir zurück nach Istanbul fliegen. Auf dem Weg dorthin schrauben wir uns von Haifa aus in engen Serpentinen hinauf ins Karmelgebirge, durchqueren Drusendörfer, eine islamische Gemeinschaft, die an Reinkarnation glaubt und dem Judentum näher steht als anderen islamischen Strömungen, unter denen sie verfolgt wurden, um weit oben zum Karmeliterkloster des Elijah zu gelangen, in dem noch drei Mönche leben. Geweiht ist die Stätte dem Propheten Elijah, dessen Opfer im Glaubensstreit mit den Baalpriestern angenommen wurde, woraufhin die heidnischen Priester ihr Leben lassen mussten. Auch das Alte Testament ist nicht zimperlich!

Im Hintergrund sehen wir Elijah selbst das Schwert schwingen.

Auch Caesara, Herodes einstige Musterstadt an der Küste, liegt auf dem Weg. Die Anlage war auf Größe angelegt, Herodes wollte hoch hinaus und anderen antiken Hafenstädten wie Alexandria Konkurrenz machen. Er ließ einen künstlichen Hafen anlegen, es gab einen Palast, ein Theater, ein Stadion und alles, was sonst zu einer römischen Stadt gehörte. Mit der Namenswahl sicherte er sich das Wohlwollen und die Unterstützung von Kaiser Caesar Augustus.

Heute ist der Kalkstein vom Meer zerfressen, 

im Stadion scharren nur noch stählerne Rosse mit den Hufen,

die von Kreuzfahrern auf Ruinen errichtete Stadtmauer hält nur noch Besucher vom unrechtmäßigen Betreten ab,

während im renovierten Theater wieder Konzerte stattfinden.

Etwas außerhalb sehen wir auf einer Wiese einen einsamen Obelisken, der sicher auch den Weg von Ägypten hinter sich hat und mit seiner Aufrechten einen Wettstreit liefert mit Palme, Strommast, Mauerstück und Fabrikschornsteinen.

Dass Tel Aviv hoch hinaus will, wird schnell deutlich,wenn man sich der Stadt nähert. So sprechen die Israelis auch nur noch von der Central Region, weil es sich um viel mehr als eine Stadt handelt.
Unsere gebuchte Unterkunft liegt in Bat Yam, ein von russischen Einwanderern geprägter Stadtteil, in dem die Modernisierung noch nicht stattgefunden hat. Nach dem ersten Blick in das gebuchte Appartment entscheiden wir uns, etwas anderes zu suchen, auch wenn es schon Abend ist. Wir mögen uns nicht gruseln an unseren letzten beiden Tagen. 
Das Schlafen am Strand, das auch eine Option gewesen wäre, die Erinnerungen wachgerufen hätte, bleibt uns erspart, da wir zwar teuer, aber gut in Jaffa, Tel Avivs altem arabischen Stadtteil, unterkommen. 
Die Preise haben uns hier immer wieder entsetzt, alles ist deutlich teurer als in Deutschland und die Leute verdienen weniger. 
'Warum haben Israelis drei Jobs? - Weil sie keinen vierten finden können' lautet ein bekannter Witz, der die Situation überspitzt beschreibt.

Wir erleben in Jaffa einen Stadtteil im Wandel, dessen Stimmung an angesagte Bezirke in anderen Großstädten, wie in Kreuzberg in Berlin erinnert. 
Die ehemaligen Werkstätten und Läden im Erdgeschoss sind entweder geschlossen oder verwandeln sich in coole Cafés, trendige Modeläden oder Kunstgalerien.

Durch die Märkte schlendern jetzt Touristen, junge oder wohlhabendere Bewohner auf der Suche nach schicken Schnäppchen.

Viele Häuser sind renoviert, andere warten noch auf die Wiederbelebung.

Die Altstadt wirkt geputzt, so kann man sich sehen lassen.

Die kilometerlangen Strände verschaffen Tel Aviv ein schwer zu toppendes Flair: Mit einem internationalen Flughafen gut zu erreichen, ein Klima, das keine europäische Stadt bieten kann, eine Szene mit Nachtclubs und Bars, die keine Wünsche offen lässt. Letzteres haben wir nicht erprobt, wahrscheinlich würde auch passende Garderobe und Durchhaltevermögen fehlen, doch es wird schon stimmen, was man sich erzählt.

Und dann gibt es auch noch schöne Wellen, so dass das Surfen, sich zeigen und sich anschauen direkt vor der Haustür möglich ist.

Israel hat uns stark beeindruckt und nachdenklich gemacht. Das Land hat sich seit unserem letzten Besuch so sehr verändert. Es ist voll hier, Autobahnen durchziehen das kleine Land, in dem es damals nur gewundene Straßen gab, und überall wird gebaut. Wir hatten schöne menschlichen Begegnungen, doch auf der Straße scheint eher ein barscher, wenig herzlicher Ton zu herrschen, der vielleicht Ausdruck eines zu häufig notwendigen Selbstbehauptungswillens ist. Die im Land geborenen Israelis werden 'Sabra' genannt, Kaktusfrüchte - ein bezeichnender Name.

Wie beim Abschied von Menschen, die man kennen gelernt hat bei einer intensiven Begegnung, wissen wir nicht, ob wir das Land wiedersehen.
Doch wir wünschen den Menschen hier, dass sich das Leben in jeder Hinsicht entspannt.

(von Ronald)

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