Freitag, 22. Dezember 2017

Ach, Havanna!

Drei Tage per Fahrrad in Havanna kreuz und quer durch die Stadt - exotisch, da es kaum Fahrradfahrer gibt; abenteuerlich, da die Straßen voller Löcher, Huckel, abfallender Ränder und weiteren Unanständigkeiten sind; ungesund, da man ständig von schwarz stinkenden Abgaswolken halbkaputter Lada-Motoren, die inzwischen in vielen der Oldtimer laufen, zugemieft wird. Aber: Man kommt herum vor Ort, sieht viel, versteht die Stadtgeographie.

Immer wieder Bedauern, Kopfschütteln, auch eine leise Wut: Wie kann man eine so schöne Stadt (Althavanna ist inzwischen Unesco-Weltkulturererbe, wird aber hauptsächlich durch Sponsoren renoviert und weniger durch nationale Bemühung)
nur so kaputtgehen lassen??? Und überall wohnen Menschen, in Ruinen, die so latent einsturzgefährdet sind, dass es einen schon beim Vorbeigehen gruselt.





Oldtimer, Pferdekutschen, Amischlitten, Müll, Fidel- und Che-Konterfeis, Revolutionsparolen. Ach, Havanna.



Zwischendurch auch mal 10-Meter-Wurzeln von Würgfeigenbäumen.



Gegenüber des prestigeträchtigen Kapitols sieht es renoviert im letzten
Abendlicht wunderschön aus.

Plaza de la Revolucion: Betonaler Monumentenwahnsinn, typisch Sozialismus?




Auf dem Turm des Jose-Marti-Memorials (einer der Nationalhelden, der Kuba Ende des 19. Jh. auf den Weg in die Unabhängigkeit gebracht hat).
Schaut mal, wie weit Berlin von hier entfernt ist:


 Und die Ami-Touri-Schlitten sehen aus wie Modellfigürchen im MIWULA Hamburg:


Zwischendurch in Habana Vieja (Altstadt) bin ich genervt von ewiger Anmache durch Typen, die was von dir wollen, Bettlern ohne Ende, Krach und Gewusel. Trotzdem immer mal wieder auch nette kleine Gespräche, nette kleine Situationen, manchmal wortlos.


Der Kontrabassist der Son-Gruppe (im Bild der Gitarrist), dem ich einen Moment zuschaue, als ich mein Fahrrad aufschließe, unsere Blicke treffen sich, ein kleines Lächeln, und eine Minute später, als ich aufsteige, nochmal ein kleiner Blickaustausch, ein kleines Lächeln, ein Mini-Mini-Flirt, absichtslos, unkommerziell, aber einfach grundmenschlich und dadurch erwärmend.


Oder die Frau, mit der ich im Laden Schlange stehe, die als Kind in Ostberlin gelebt  und den Bau der Mauer miterlebt hat, und die sich freut, jemand aus Deutschland zu treffen. Oder der kleine Junge, der in einer Nebenstraße plötzlich auf einem Kinderfahrrad neben mir fährt, abbiegt, wir schauen einander kurz an, lächeln, ich winke ihm nochmal zu und er mir auch.

Aber auch wieder großes Unverständnis: Die Lustlosigkeit, Unfreundlichkeit, Barschheit überall im Servicebereich, beim Ticketkaufen für Bus, Flug, an der Kasse von Läden- du wirst angebellt, Pass her - den muss man dauernd irgendwo vorzeigen - nein, hier nicht - ja, wo denn - weiß ich doch nicht - man ist nicht Kunde, sondern Verbraucher, unerwünschter Bittsteller bei mürrischen Leuten hinter Tischen und Tresen - auch das macht vielleicht der Sozialismus aus den Leuten - zumindest ist es das, was sich uns als Wahrnehmung mitteilt.


Abends aber treffen wir John Lennon im Park, zugewandt, freundlich. Das tut gut nach einem wiederum eindrücklichen weiteren Tag in dieser verrückten Stadt.

Später gehen wir am Malecon ins "1830", eine schön gelegene Tanzbar mit guter Musik, vielen jüngeren und ein paar älteren Leuten, tollen Tänzern, und schwingen das Salsa-Tanzbein in karibisch warmer Luft. Hat schon was!

Und sogar noch eine gute Tat: Beim Busticketkauf einer verzweifelten jungen Australierin, die Kuba nicht mehr aushält, ausreist und ihre bereits gekauften Tickets zurückgeben möchte, bei Storno und Rückerstattung geholfen. Nun kann es Weihnachten werden...

(von Jessica)

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