Dienstag, 21. November 2017

Nachdenklich auf dem Weg zu Tee und Kaffee

Wir verlassen den Petén, Guatemalas "wilden Norden", nachdem ich auf der pittoresken Insel Flores im Petén-See noch einen fröhlichen Nachmittag mit Elena und Anna-Marie, beide ehemalige Lensahner Waldorfschülerinnen aus Valentins Jahrgang, verbracht habe. Elena ist Fortwirtschaftlerin und arbeitet seit sechs Jahren als Entwicklungshelferin in Guatemala, Anna-Marie ist Ärztin in Hamburg und gerade bei Elena zu Besuch.
Die Flussfähre in Sayaxche bringt uns aus der Dschungelregion heraus; dann geht es in stundenlanger Busfahrt zunächst in die Übergangszone und später Richtung Süden ins Hochland von Guatemala, geographisch die Hauptzone des Landes.



In Coban erwartet uns auf 1300 Meter Höhe Chipi-Chipi, der ortstypische Nieselregen, und fröstelige Temperaturen mit etwa 14 Grad Nacht- aber immerhin 23 Grad Tagtemperatur. Naja, vielleicht ist hier dann zumindest mit weniger Mosikostichen zu rechnen...

Uns erwarten einige Überraschungen. In dem Hotel, das wir finden, ist neben Weihnachtsdeko und gepflegter Atmosphäre in Haus und Garten ein Essraum und viel Mobiliar im viktorianischen Stil, sowohl Hacienda-Stil als auch typische altdeutsche Ausstattung wie Sammelservice-Kaffeetassen und ähnliche Details. Die Großmutter der Besitzerin liebte, angeregt durch die Kolonialzeit (s.u.), deutsche Möbel und Waren und ließ sich per Schiff nach und nach vieles hierher bringen.




Im Ort sehen wir große Büsche blühender Weihnachtssterne und auf Schildern deutsche Namen (Otto Sarg, Dieseldorff, Draeger...) und einige ältere Herrschaften, angezogen wie Einheimische, aber mit nordeuropäischen Gesichtern.


Im Gespräch mit der Wirtin und dann auch mit zwei dort speisenden einheimischen Herren (ein Guatemalteke namens Wohlers!) erfahren wir, dass Ende des 19. Jahrhunderts hier von deutschen Einwanderern, u.a. dem Hamburger Oscar Kloeffer, Kaffee-, Tee- und Kardamonfincas im großen Stil aufgezogen wurden. Die Deutschen wurden während des Zweiten Weltkrieges enteignet und aus dem Land vertrieben, die Fincas erst über Regierungsmandat verwaltet und dann an die Indigenas zurückgegeben und teils in Kooperativen verwandelt. Neben dem Anbau bleiben hier und da deutsche Namen und nordeuropäische Gesichtszüge bei einigen spanischsprachigen Guatemalteken als Erbe bestehen. Das Ansehen der Deutschen ist gut, sie gelten nicht als Invasoren, sondern als Gründerväter der hiesigen Landwirtschaft.

Wir besichtigen am nächsten Tag erst eine Teeplantage - die einzige Zentralamerikas - und dann eine Kaffeefarm etwas außerhalb von Coban, beide kooperativ betrieben.


Für mich als langjährige Schwarzteetrinkerin ist es eine große Freude, Teeanbau nun auch konkret zu erleben. Im Bild Elsa, die uns herumgeführt hat.

Im Hochland Guatemalas sind wir aber vor allem in einer der großen Kaffeanbauzonen der Welt. Wir erfahren beim Rundgang sehr viel, werden aber - wie fast jeden Tag - auch sehr nachdenklich: Konsumverhalten, Politik, Wirtschaft, Entwicklung sind nur einige wenige der möglichen Stichwörter.
Einer der besten Kaffees der Welt wird hier geerntet, bringt dem Land jedoch nicht viel ein, da der Weltmarktpreis so niedrig ist. Die Qualität entsteht besonders durch eine Ernte per Hand, bei der wirklich nur die reifen roten Früchte geerntet werden, nicht wie bei den großen Kaffeeexporteuren, wo die Maschinenernte so viel weniger sorgfältig ist.



Der Kaffeestrauch (die roten Früchte sind reif und können zur vielschrittigen Weiterverarbeitung geerntet werden) gedeiht, ähnlich wie Kakao, am besten im feuchten Halbschatten größerer Gewächse, z.B. Bananen. 
Zum Schluss gibt es eine gute Tasse schwarzen Kaffees, wie wir hier im Ort überhaupt zum ersten Mal auf unserer Reise auf viele Cafés mit ausgeprochem gutem und geschmackvoll zubereitetem Kaffee gestoßen sind. Kaffee haben wir in Mexiko und auch hier in Guatemala viel getrunken, doch meist als sehr dünnen Aufguss, der nicht viel dunkler als schwarzer Tee daherkommt - die mexikanische Art, Kaffee zuzubereiten. 



Mit elend kaputten Schrott-Minibussen über schlimme Sandpisten fahren wir wieder durch große Armut, vorbei an Holzhütten mit Wellblechdach, viele ohne Strom und Wasser. Guatemala wirkt im Vergleich zu Mexiko deutlich ärmer.

Man kann sich täglich so viele Fragen stellen, Gedanken machen, im Angesicht dessen, was uns dauernd ins Auge springt und im Gespräch begegnet, mit Menschen auf der Straße, in unseren Unterkünften, im Bus, unseren Guides. Die Welten sind so verschieden, aber auch die Horizonte. Unsere Art der Reflexion und des In-Frage-Stellens der Tatbestände ist für viele Menschen im Land nicht nachzuvollziehen, da man so wenig gewöhnt ist, zu abstrahieren. Wir kennen das aus Afrika bereits sehr gut. Aber dies Thema ist vielleicht mal für einen anderen Post...

(von Jessica)

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