Freitag, 13. Oktober 2017

Moros y Cristianos - Mauren und Christen

Geschichte als Grund zum Feiern

Alteas Altstadt gruppiert sich um die mächtige Kirche herum, deren halbrundes, mit blauer Keramik gedecktes Dach weithin in der Sonne leuchtet. Sie thront ganz oben auf einem Hügel, der den Mittelpunkt 'unserer' Bucht bildet. Neben der Kirche ist die Atrappe einer Burg aufgebaut, dreigeschossig, mit Turm und Zinnen bewehrt.

Oben auf den Wehrgängen sieht man die christlichen Herrscher der Burg, die sich hinter ihren hohen Mauern in Sicherheit wiegen.



Auf dem Platz davor schreitet eine einzelne stolze Maurin umher, deren Haltung ihre fürstliche Abstammung erkennen lässt. Sie will die Christen zur Übergabe der Stadt bewegen und kündigt furchtbare Kämpfe an, als die Christen nicht auf ihre Forderungen eingehen.






Das ist der Auftakt zu den Feierlichkeiten, die jedes Jahr im Herbst die Stadt in Aufruhr versetzen. In weiten Teilen Spaniens, vor allem aber in den Provinzen Valencia und Alicante, wozu wir gehören, wird dem Aufeinandertreffen der beiden Kulturen mit großem Aufwand und Getöse gedacht. Dabei hat jede Gemeinde ihre eigenen Traditionen entwickelt, die zum Teil seit Jahrhunderten als festes Ritual zu den Feiern gehören.
Anfang des achten Jahrhunderts fielen die Mauren, zumeist Berberstämme aus Nordafrika, die von Arabern islamisiert wurden, in Spanien ein, besiegten die Westgoten und begründeten Kalifate. Kunst und Architektur erlebten in dieser Zeit eine Blüte, in der Christen, Juden und Muslime über lange Zeit friedlich zusammenlebten. Stück für Stück eroberten sich die Christen durch die so genannte Reconquista das spanische Festland zurück, doch es dauerte bis 1492, also dem genau dem Ende des Mittelalters, bis der letzte muslimische Fürst in einer Schlacht besiegt wurde.
Altea feiert zwei Wochen lang. Die Stadt ist  geschmückt und wie bei uns die Schützenvereine, so gibt es hier die Cofradias, Gruppen, die ihre eigenen Kostüme, Wimpel, ihren Versammlungsort irgendwo in der Stadt und - ganz wichtig - ihre eigene Musikkapelle aus Bläsern und Trommlern haben. Einige der Gruppen repräsentieren die Christen, andere sind Mauren, die Gewänder sind in jedem Fall fantasievoll und aufwändig.

Jeden Tag entwickelt sich die Geschichte etwas weiter, wobei es als Außenstehender nicht einfach ist, immer zu verstehen, was gerade passiert. Zu Beginn erobern die Mauren die Stadt. Die Gewehre mit den Platzpatronen, mit denen in die Luft geschossen wird, machen einen ohrenbetäubenden Lärm, der kilometerweit zu hören ist und aus der Nähe nur mit guten Ohrstöpseln zu ertragen ist.



Die Aktivitäten an den darauffolgenden Tagen ähneln sich. Es gibt Umzüge, Musikdarbietungen, gemeinsames Essen, symbolische Kämpfe und auf jeden Fall immer einen Grund zum Feiern und zum Fröhlichsein. Am Ende haben die Christen die Stadt zurück erobert, doch die Mauren bekommen im nächsten Jahr eine neue Chance, ihr Glück zu versuchen.


Beeindruckt hat uns die Intensität und Begeisterung, mit der gerade viele junge Leute
an den Feiern mitwirken. Da gelingt eine Identifikation mit dem Heimatort und der eigenen Geschichte, auf die wir als Deutsche nur staunend und verwundert blicken können.

(von Ronald)

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