In Volubilis in Nordmarokko bei der Besichtigung der antiken Ruinen einer ehemaligen Römerstadt erscheinen uns die Spuren der alten Kultur fremd in der afrikanisch-arabischen Umgebung, die alle unsere Sinne so beschäftigt. Sie zeigen die verbindenden Einflüsse innerhalb der Mittelmeerregion, aber auch deren Unterschiede.
Im Nachhinein erscheint Volubilis wie eine Vorbereitung auf die kurze, intensive Reise durch Süditalien, die uns wie auf einer Zeitreise stark in die alten Kulturen des Mittelmeerraumes eintauchen lässt.
Nach der Ankunft in Civitaveccia nördlich von Rom stolpern wir fast über die Etruskergräber bei Tarquinia. In die sanfte, zu dieser Jahreszeit noch überaus grüne südtoskanische Hügellandschaft eingebettet, liegen die Gräber abseits der ehemaligen Stadt.
Zum Teil erst in den letzten Jahren durch Messungen entdeckt und freigelegt, kann man heute die verstreut liegenden Grabkammern durch das Hinabsteigen in die Tiefe durch eine Glasscheibe besichtigen. Fremd erscheinen die Darstellungen der Menschen in den Wandmalereien, erinnern durch die Profilzeichnungen an ägyptische, durch die lebendige Darstellung der Gestalten an griechische Figuren.
Doch die klare Formensprache der in den Fels gehauenen Kammern und die ganz einfachen, alltäglichen Tätigkeiten, die an den Wänden aufgemalt sind, lassen ein Gefühl der menschlichen Verbundenheit über die Jahrtausende hinweg entstehen.
Die Etrusker wurden nicht geschlagen oder vernichtet, sie sind im späteren römischen Volk aufgegangen.
Einem Besuch in Rom würden wir in der Kürze der Zeit nicht gerecht werden, außerdem haben wir einen starken Eindruck der Stadt, auch wenn unser Besuch bereits 34 Jahre zurückliegt. So fahren wir die Küstenautobahn nach Süden bis an den Golf von Neapel, der landseits von der fast perfekt symmetrischen Silhouette des Vesuvs, unserem nächsten Ziel, geprägt wird.
Der Aufstieg mit dem Fahrrad erweist sich schon im ersten Teil zum Fuß des Berges als schwierig, da katastrophale Straßenverhältnisse, schwer durchschaubare Straßenführung und gewöhnungsbedürftig chaotische Fahrweise der Italiener eine Zeit der Eingewöhnung bedürfen. Jessi fährt den Sprinter hinauf, so dass ich ein ‚Versorgungsfahrzeug‘ habe und mich nach 1000 sich in Serpentinen hinaufschwingenden Höhenmetern über das mitgebrachte Picknick freue.
Die Straße endet vor dem letzten Stück der Baum- und strauchlosen Kuppe, die mit dunkelgrauer Asche und Vulkangestein bedeckt ist. Den Aufstieg hinauf zum Kraterrand unternimmt Jessi allein, da meine Fahrradschuhe dazu nicht geeignet sind.
Oben belohnt ein spektakulärer Blick in den Krater hinab und über den Golf den Aufstieg, der im Norden von Ischia und im Süden von Capri begrenzt wird. Den Besuch von Capri, wo abends ˋdie rote Sonne im Meer versinkt‘ verschieben wir auf ein andermal, denn es steht noch der Besuch von Pompeji auf dem Wunschzettel.
Capris Silhouette in der Abenddämmerung
Der Vesuv liegt heute ruhig und friedlich da, doch der letzte Ausbruch ereignete sich erst 1944. Die verheerendsten Zerstörungen richtete er jedoch im Jahr 79 n. C. an, als heftige, tagelange Eruptionen das nahegelegene Pompeji unter einer 25 Meter dicken Asche- und Bimssteinschicht begrub. Griechen und Römer haben hier gelebt, daher daher begegnet man Spuren aus beiden Kulturen.
Beim Besuch der Stadt am nächsten Morgen, die ausgegraben wurde, nachdem sie Jahrhunderte im Dornröschenschlaf verbrachte, sind wir beeindruckt, fassungslos, berührt von den Zeugnissen, die durch die tragische Konservierung heute zu besichtigen sind. Die Größe, die Schönheit, vor allem aber der einmalige Blick in das Alltagsleben der Menschen, deren Nähe man zu spüren scheint, haben Gänsehautcharakter. Auf dem Straßenpflaster sind die Spurrillen der Wagen zu sehen, Brote im Backofen sind beim Vulkanausbruch schwarz geworden, aber erhalten, der Stadtwein, der in den recht großen Gärten hinter den Häusern wuchs, wird heute wieder angebaut.
Lagerungsgefäße für Wasser, Wein, Bier in der Theke einer Schänke
auf der antiken Hauptstraße
In Schaukästen sind Gipsabdrücke ausgestellt, die durch das Ausgießen von gefundenen Hohlräumen entstanden sind und menschliche Gestalten zeigen, die im Moment des Todes erstarrt sind.
In Gedanken stelle ich mir den Geschichtsunterricht in der sechsten Klasse vor, der die römische Kultur behandelt und hier so lebendiges Anschauungsmaterial fände.
In der zweiten Tageshälfte durchqueren wir den Stiefel, suchen uns auf dem Hafengelände Bari einen Platz für die Nacht, besorgen uns am Morgen ein Ticket und schiffen wiederum ein, nachdem wir eine kleine Runde durch die wiederumtypisch italienische Altstadt Baris gedreht haben, in der wir auf die Basilika des heiligen Nikolaus stoßen, in dessen Krypta seine Gebeine begraben liegen.
Viele Menschen, die von den Fähren kommen oder einsteigen, haben eher slawische Gesichter und machen uns deutlich, dass die Ostseite Italiens auch heute noch stark nach Osten, nach Albanien, Griechenland, usw ausgerichtet ist. Auch Marco Polo ist von Venedig aus zu seinen Reisen aufgebrochen. So erinnern auch die Malereien in der Basilika an östliche Ikonenmalerei.
Im kleinen Hafen ist neben dem Fährbetrieb beschauliches Fischerleben zu beobachten, das uns an Bölls 'Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral' erinnert.
Auf dem Weg nach Osten bringt uns die Schnellfähre in zehn Stunden nach Igoumenitsa in Griechenland.
(von Ronald)
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