Sonntag, 3. Dezember 2017

Die Lage wird ernst


Wie bei unserem Besuch in Kenia am Jahresende 2007, wo die demokratische Wahl zu einem neuen Präsidenten die Gesellschaft so stark spaltete, dass die verfeindeten Gruppen aufeinander losgingen, sich Straßenschlachten lieferten und das Leben im Land lahmlegten, stecken wir hier unerwarteterweise in einer ähnlichen, wenn auch noch nicht brenzligen Situation.

Unruhen in fernen Ländern, ob nun Honduras oder anderswo, kennt man eigentlich nur aus dem Fernsehen und erlebt sie dort so häufig, dass man doch eher unbeteiligt auf die Bilder schaut. Auswirkungen auf das eigene Leben hatten selbst die Kravalle im Juli in Hamburg zum G20 Gipfel nicht, auch wenn die Situation deutlich stärkere Betroffenheit auslöste.

Jetzt sind wir betroffen von den Auswirkungen der Präsidentenwahlen in Honduras und wissen noch nicht, wie sie unsere Weiterreise beeinflussen. Auf der Busfahrt nach Honduras erfuhren wir von den Wahlen, die zwei Tage vorher stattfanden und dem mit Spannung erwarteten Ergebnis. Was geschah: Die Auszählung der Stimmen zog sich nach der Wahl lange hin, der Kandidat der Opposition schien vorn zu liegen, der Präsident sprach davon, nicht zurücktreten zu wollen (er hat sich durch Amtsmißbrauch die Möglichkeit der Wiederwahl gesichert), plötzlich verkündeter Sieg des Präsidenten, worauf der Oppositionskandidat das Ergebnis anfechten wollte, von Wahlbetrug sprach und seine Anhänger zu friedlichen Protesten aufrief. Daraufhin begannen in einigen großen Städten des Landes Demonstrationen, Randalierer mischten sich darunter, es entstanden Unruhen, Barrikaden, Plünderungen; es gibt einige Tote zu beklagen.

Auf unserer Insel ist keine Unruhe zu spüren, schlechte Stimmung wird vom Wetter erzeugt. Es gibt kaum verlässliche Quellen, daher kann man nie ganz sicher sein, wie wahr die verschiedenen Nachrichten sind, die nun in kürzerwerdenden Abständen die Runde machen. Zuerst bekommen wir mit, dass der Busverkehr auf dem Festland eingestellt ist, da die Sicherheitslage zu schwierig ist.

Da hier so vieles anders ist, als wir erwartet haben (siehe Jessis Post vorher), entscheiden wir uns für eine vorzeitige Abreise. Auch vorher hatten wir schon überlegt, die lange Distanz nach Leon/Nicaragua, unserem nächsten Ziel, durch einen Inlandsflug zu verkürzen, doch angesichts der jetzigen Situation scheint das auch ratsam. Wir buchen also für Dienstag, das ist vier Tage später, einen Flug von hier aufs Festland nach La Ceiba und von dort weiter bis in die Hauptstadt Tegucigalpa.

Am Abend erlässt die Regierung eine Ausgangssperre für zehn Tage, von abends 18.00 Uhr bis morgens um 6.00 Uhr. Langsam werden wir unruhig, denn wir müssen sehr früh am Morgen zum Flughafen kommen. Die Flüge scheinen bisher planmäßig zu fliegen. Die nächste Nachricht, die uns erreicht, hebt die Ausgangssperre für die Bay Islands, also auch unsere Insel, wieder auf. Das schafft ein wenig, doch nicht grundsätzlich Erleichterung. Kommen wir Dienstag mit den Flügen nach Tegucigalpa, so müssen wir dort vor Ort schauen, wie es weiter geht. Fahren Busse, sind sie sicher genug, bekommen wir auf die Schnelle einen Flug?

Wir sind inzwischen entschlossen, das Land so schnell wie möglich in Richung Süden zu verlassen. Eigentlich steht Nicaragua auf dem Programm, doch da Busse nicht fahren und Flüge nach Managua schwer zu bekommen sind, überlegen wir, gleich nach Costa Rica weiter zu reisen, unserer letzten Destination in Zentralamerika, bevor es dann nach Kuba geht.

Wir sind nicht in Panik, doch die Gedanken sind mit dem Weiterkommen beschäftigt und viel Zeit vergeht bei der Suche nach Reisemöglichkeiten. Dazu kommt die durch das Wetter hervorgerufene Untätigkeit, mit der wir hier festsitzen. So gehen wir bei einer der wenigen Regenpausen zu Fuß zum Inselflughafen, um uns ein Bild zu verschaffen.

Das Terminal ist eine Holzbude, die Landepiste ist aber asphaltiert. Zwei Soldaten bewachen den Platz, auf Jessis Bitte hin erlauben sie uns, die Landebahn anzuschauen und zu fotografieren.





Wir gehen im Moment davon aus, dass wir Dienstag morgen fliegen können; morgen werden wir im kleinen Reisebüro nachfragen, ob es Neuigkeiten gibt. Einiges Unerwartete ist uns bisher schon begegnet, doch jetzt liegt das Vorankommen nicht nur in unserer Hand. Mal sehen, wie es weiter geht.


(von Ronald)

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