Dienstag, 31. Oktober 2017

Großstadtverkehr (Mérida)

Der 15minütige Fußweg am Morgen vom Hotel zu der in unserem fast allwissenden Reiseführer beschriebenen Autovermietung, wo ich versuchen will, ein Auto für den nächsten Tag zu bekommen, um den Besuch von Uxmal, einer weiteren, etwas abseits vom Wege gelegenen Mayastätte zu besuchen, wird zu einer Offenbarung mexikanischen Stadtlebens.
Dazu trägt vor allem die für uns ungewöhnliche städtische Geographie Meridas bei, der Hauptstadt Yucatans mit immerhin 1,6 Millionen Einwohnern. Da die Bebauung kaum über zwei Stockwerke hinausgeht, ist die Fläche, die die Stadt einnimmt, gewaltig. Ein Teil des Platzes wird durch enge Straßen, die gerade zwei Autos nebeneinander Platz bieten, wieder eingespart.

Die Fußwege, die ich entlanglaufe sind weniger breit als meine ausgebreiteten Arme, die Häuserfronten dicht geschlossen und das menschliche Gewühl in alle Richtungen unvorstellbar. Das Ausweichen auf die Straßen ist nur für reaktionsschnelle Unerschrockene empfehlenswert, so bleibt nur, mitzuschieben, jede sich bietende Lücke zu nutzen und alle Sinne auf das Vorwärtskommen zu richten. Mein Größe verschafft mir dabei Vorteile, die ich gern nutze, denn einerseits überrage ich die durchschnittlichen Mexikaner um Kopfesgröße, die Frauen eher um das Doppelte, und andererseits ist eine Hemmschwelle der Einheimischen zu spüren, mich als erkennbar Fremden genauso in das Drängeln mit einzubeziehen.

Neben den vielen Geschäften und Bars, die sich hier in der Innenstadt in fast jedem Haus befinden, nutzen auch noch Straßenverkäufer mit Gebratenem, Gebackenem und allen anderen vorstellbaren Angeboten den mageren Platz, um ihre Waren anzupreisen. Auch viele Läden buhlen um Aufmerksamkeit, indem sie große Lautsprecher in den Eingang stellen und die Straße beschallen. Dazu macht der Lärm der Stadtbusse, die schon viele Jahrzehnte ihren Dienst tun und ungeheuer zahlreich durch die Straßen knattern, eine normale Unterhaltung fast unmöglich, so dass die Menschen darauf angewiesen sind, sich in großer Lautstärke zu unterhalten. Die entstehende Geräuschkulisse macht sich enorm pulssteigernd bemerkbar.

Das System der motororisierten Fortbewegung ist dagegen streng geregelt. Alle Straßen sind Einbahnstraßen, die zweispurig befahren werden dürfen, wenn nicht gerade haltende Lieferwagen oder Busse an einer Seite stehen, was häufig der Fall ist. Da die Straßenzüge exakt geometrisch im Schachbrettmuster angelegt sind, fällt die Übersicht leicht. Hinzu kommt der Umstand, dass auf Straßennamen zugunsten einer klaren Numerierung verzichtet wurde. Alle Nord- Süd verlaufenden Straßen haben gerade, alle Ost- West führenden haben ungerade Nummern. Immer abwechselnd sind die Straßen, die im Innenstadtbereich gepflastert und nicht asphaltiert sind, entweder in die eine oder in die andere Richtung befahrbar. Mit etwas Übung weiß man also, an welcher Stelle der Stadt man sich befindet, in welche Richtung man fahren und wohin man abbiegen darf.




Erschwert wird dies klare System durch fehlende Vorfahrtsregeln, was mir bei den ersten Versuchen nach geglücktem Fahrzeugerwerb schnell deutlich wird. Keine Straße hat Vorfahrt, an jeder Ecke, und davon gibt es viele, da die Straßenblöcke nur etwa 150 Meter lang sind, gilt es sich erneut zu verständigen. Als Neuling übe ich mich in Zurückhaltung und halte meinen Durchsetzungswillen im Zaum, da ich im Auto auch auf meinen Größenvorteil verzichten muss.

Einmal eingefahren, fängt die Herausforderung 'Autofahren in Merida' an, mir Spaß zu machen und ich finde es fast schade, jetzt den Stadtverkehr mit der Landstraße einzutauschen. Die großen Highways, auf denen wir dann unterwegs sind, sind in gutem Zustand, obwohl nicht mit unseren Autobahnen zu vergleichen. Oft ziehen sie sich, in der weiten Ferne zu einer schmalen silbrigen Linie verengt, schnurgerade durch den Urwald. Die kleine Landstraße, auf die wir abbiegen, hält dann aber durch unerwartete monumentale Schlaglöcher neue Proben bereithält.

Wir besuchen eine ehemalige Hazienda, deren kolonialer Charme noch zu spüren ist (darüber später mehr) und Uxmal, eine ebenso imposante Stätte der Maya wie Chichen Itza, deren Blütezeit im 10. Jahrhundert n.Chr. war, und die schon lange vor dem Eintreffen der ersten Spanier verlassen wurde. Viele der Gebäude und Pyramiden dürfen bestiegen werden, die großflächigen Reliefs sind teilweise sehr gut erhalten.




Von dort geht es nach Campeche, wo wir nun am Golf von Mexiko sind und das Meer uns deutlich rauher und aufgewühlter empfängt als die Karibik. Doch Baden ist hier kein Thema, da die Stadt zwar über eine Uferpromenade (die wie in Havanna Malecón - Uferstraße - heißt), aber über keinen Badestrand verfügt. Nach einem ersten Abendspaziergang durch die von hohen Mauern umgebene Altstadt freuen wir uns auf die bequemen Betten im Hostel.

(von Ronald)

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